Foto-Reisebericht
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Damme
Einstiger
Vorhafen der Hansestadt Brügge
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Es gibt viele Möglichkeiten,
in das belgische Damme zu kommen: Man kann Damme
mit dem Pkw direkt anfahren und unter der Woche
oder an Wochenenden sehr früh am Morgen auf dem kleinen Parkplatz
am Ortseingang parken. Man kann eine Tour nach Damme
aber auch mit einem Brügge-Besuch verbinden und
sich dort ein Fahrrad leihen, von der Dampoort aus
zu Fuß ins 5 Kilometer entfernte Damme spazieren oder in Brügge in einen
Linienbus nach Damme einsteigen.
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Wir
wählen für unseren Besuch die bequemste und schönste
Variante: Von der Dampoort im
Nordosten von Brügge gehen wir zur nahe gelegenen
Anlegestelle am Noorwegenkaai.
Von hier pendelt
der Raddampfer "Lamme Goedzak" auf dem
Kanal "Damse Vaart Zuid" täglich zwischen
10 und 18 Uhr im 2-Stunden-Takt nach Damme.
Jedenfalls in den Sommermonaten.
Wir haben
Glück und erwischen trotz mehrerer Staus die erste
Abfahrt des Schiffes auf den allerletzten Drücker.
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Kaum
sind wir an Bord heißt es "Lein los".
Behäbig
setzt sich der Lamme Goedzak in Bewegung und langsam
bleibt der eingerüstete Turm der Brügger
Liebfrauenkirche zurück.
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Der Fahrpreis ist
ausgesprochen günstig: Erwachsene zahlen für Hin-
und Rückfahrt 7,50 Euro, Kinder und Senioren erhalten
Ermäßigungen. Wo sonst kann man sich über eine Stunde
lang so preisgünstig bei einer Schiffstour unterhalten
lassen. Und wir erhalten auch noch eine
Kurzunterweisung in Sachen Literatur: In Charles
de Costers Tijl-Uilenspiegel-Roman aus dem Jahr
1867 ist der Lamme Goedzak der beste Freund des
aus Damme stammenden Romanhelden. Mit seinem Werk
"Die
Legende und die heroischen Abenteuer des fröhlichen
und glorreichen Ulenspiegel und des Lamme Goedzak
aus Flandern" unterstützt der Schriftsteller
den flämischen Freiheitskampf gegen die spanische
Unterdrückung.
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Nach
knapp 30 Minuten tauchen rechts die ersten Häuser
von Damme auf...
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und kurz darauf passieren wir die 150 Jahre alte
Schellemolen am linken Kanalufer.
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Nachdem
der Lamme Goedzak am Schiffsanleger festgemacht
hat, spazieren wir zur nahe gelegenen Brücke über
die Damse Vaart, ...
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biegen in die Kerkstraat ein und erreichen, vorbei
an einem sehenswerten, mit viel Buchsbaum begrünten
Stufengiebelhaus, ...
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... den Marktplatz
von Damme.
Die
Westseite des Platzes ist von alten Fassaden begrenzt, hinter denen man überwiegend Restaurants
und Bistros findet.
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Die
Ostseite des Marktes wird vom gotischen Stadhuis
geprägt.
Das historische Rathaus wurde von
1464 bis 1468 nach den Plänen
von Gottfried von Bosschere errichtet und hatte
eine Doppelfunktion: Im Obergeschoss wurden der
Sitzungssaal und die Räume des Gerichts eingerichtet,
das Untergeschoss diente als Lagerfläche.
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Gelagert
wurde im mittelalterlichen Damme reichlich: Schwerbeladene
Großsegler konnten wegen ihres Tiefgangs nicht bis
ins Zentrum von Brügge segeln. Sie mussten hier
Damme ihre Ladung löschen, die auf Boote umgeladen
oder hier eingelagert wurde. Die Stadt prosperierte
von diesem Warenumschlag und parallel zu Brügge
kehrte auch hier Wohlstand und Reichtum ein.
Dieser
Reichtum ermöglichte auch den Bau des Rathauses,
das uns mit seinem aufgesetzten Turm mit halbstündlich
erklingendem Glockenspiel...
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und den filigranen Fassadenverzierungen ausgesprochen
gut gefällt.
Die sechs Statuen
allerdings wurden nachträglich im 19. Jahrhundert
angebracht und zeigen die flandrischen Grafen Philipp I.
von Elsass, Philipp
von Thiette, Margaretha und Johanna von Konstantinopel
sowie - hier abgebildet
- Karl der Kühne und Margaretha von York
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Vor
dem Stadhuis steht ein Denkmal für Jacob van Maerlant,
das von dem Brügger Bildhauer Henry Pickery im Jahr
1860 geschaffen wurde.
Jacob van Maerlant
wurde 1235 in Brügge geboren. Nach seinem Studium
wurde er Küster in der niederländischen Gemeinde
Maerlant. 1266 zog er nach Damme, weil ihm die vakant
gewordene Stelle des Stadtschreibers übertragen
wurde.
Jacob van Maerlant wurde zum bedeutendsten
mittelalterlichen Dichter und Schriftsteller des
niederländischen Kulturkreises. Sein erstes Werk war "Alexanders Geesten",
eine Biographie in 14.000 Versen über Alexander
den Großen. Weitere Arbeiten folgten: "Merlijns
Boek", "Historie van den Grale" und
"Historie van Troyen" sowie die Natur-Enzyklopädie
"Der Naturen Bloeme". Alle
Werke wurden in Reimform geschrieben.
Jacob van Maerlant
starb um 1293 und wurde in der "Onze Lieve Vrouwekerk"
in Damme beigesetzt.
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An
der Südseite des Marktplatzes steht das gotische
Patrizierhaus "De Grote Sterre".
In dem Gebäude aus dem 15. Jahrhundert hatte
zeitweise der spanische Gouverneur seinen Sitz.
Heute findet man hier die Tourist-Info und
das "Uilenspiegelmuseum" mit Exponaten
zur Legende des Possenreißers und Widerstandskämpfers.
Im
"Sint Janhuis" links daneben
heiratete Karl der Kühne am 3. Juli 1468 Margaretha
von York - wir haben die beiden bereits an der Rathausfassade
gesehen.
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Wir
verlassen den Markt und folgen der Jacob
van Maerlantstraat bis zum Eethuis de Zuidkant,
wo wir nach rechts in die Corneliestraat einbiegen,
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... die
bis zum nahe gelegenen Haringmarkt führt.
Hier
machen wir abseits der stark frequentierten Touristenroute
"30 Minuten Damme bis zur nächsten Abfahrt
des Lamme Goedzak" im Schatten der hohen Bäume
eine kleine Pause, ...
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werfen einen Blick auf den leider verschlossenen
Eingang der bei der Befestigung der Stadt im Jahr
1616 geschaffenen Kasematten...
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und spazieren dann durch die Pottenbakkersstraat...
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zum "Sint-Janshospitaal" in der Kerkstraat.
Die
historische Herberge, in der früher Reisende, Arme und
Kranke Unterkunft und Heilung fanden, wurde
1229 mit Zustimmung der flämischen Gräfin Margaretha von Konstantinopel gegründet,
von Augustinern geführt
und mit den Einnahmen aus dem Weinzoll unterhalten.
Das
Sint-Janshospitaal wird heute als Altenheim genutzt.
Im ehemaligen Krankensaal des mittelalterlichen Gebäudes
findet man das Museum Sint-Janshospitaal mit
gotischen Möbeln, wertvollem Silber und alten Büchern
aus der Klosterbibliothek.
Hinter dem Sint-Janshospitaal
führt eine kleine, nach rechts abzweigende Gasse...
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zur beeindruckenden "Onze Lieve Vrouwekerk",
die die Blüte und den Niedergang von Damme deutlich
erkennbar widerspiegelt. Mit dem Bau der
gotischen Liebfrauenkirche wurde um 1230 begonnen,
zu einer Zeit steigender Prosperität durch den schon
erwähnten Umschlag von Handelswaren. Das ursprüngliche
Gotteshaus war deutlich größer und reichte bis zum
43 Meter hohen Turm. Während des achtzig Jahre dauernden Krieges zwischen
Spanien und
den Niederlanden legten 1578 die Truppen des Prinzen von Oranien
in der Kirche Feuer, die daraufhin vollkommen ausbrannte.
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Wegen
des wegbrechenden
Handels begann im 15. Jahrhundert der wirtschaftliche Niedergang
der Stadt. 1725 war Damme dann dermaßen verarmt, dass die Turmspitze, das Querhaus und
Teile des Längshauses abgebrochen
wurden, um die gewonnenen Backsteine als Baumaterial verkaufen zu
können. Allein die Mauern des Mittelschiffes blieben
als Stütze des Turms erhalten.
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Durch den früheren, aus dem Jahr 1555 stammenden
Lettner
betreten wir das sehenswerte Innere der Hallenkirche und stehen direkt im ehemaligen Chor. Der
den Laien dienende Teil der Onze Lieve Vrouwekerk
wurde 1725 mit abgebrochen und vor dem Lettner eine neue
Giebelwand hochgezogen.
Die beiden Seitenschiffe
werden durch massive Säulen vom Hauptschiff getrennt,
an denen man acht aus Eichenholz geschnitzte
Apostelfiguren aus dem 13. Jahrhundert findet.
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Der
barocke Hauptaltar der Liebfrauenkirche stammt aus
dem 18. Jahrhundert, ...
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der Heilig-Kreuz-Altar im linken Seitenschiff ist
deutlich älter. Er wurde um 1636 eingeweiht und
erhielt seinen Namen durch die Tatsache, dass hier
früher das von Fischern aus dem Meer geborgene,
wundertätige Heilige Kreuz hing, das bereits im
frühen 14. Jahrhundert verehrt wurde.
Beim
Bildersturm des Jahres 1566 wurde dieses Kreuz -
wie viele andere Kunstgegenstände auch - zerstört.
Es blieb lediglich ein Fragment des Kreuzes erhalten.
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Im
linken Seitenschiff findet man vor einem mit Schnitzereien
verzierten Beichtstuhl aus dem 17. Jahrhundert
auch das Tragegestell, mit dem das Kreuz
während der Karfreitagsprozession durch Damme getragen
wird.
Hinter dem Tragegestell erkennt man
ein Gemälde, das um 1535 entstand und das die Wunder
darstellt, die dem Heiligen Kreuz zugeschrieben
werden.
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Zwischen
dem linken Seitenschiff und dem Hauptschiff steht
eine in ein kostbares Gewand gekleidete Liebfrauen-Statue,
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zwischen dem rechtem Seitenschiff und dem Hauptschiff
gefällt uns die von Rjikaert Brouckman im 17. Jahrhundert
geschaffene Kanzel, deren kunstvolle Schnitzereien
die vier Evangelisten darstellen.
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Sehenswert
sind auch die im Jahr 1483 an die Südseite der
Kirche angebaute Sakramentskapelle, der im rechten
Seitenschiff ausgestellte Kirchenschatz, das Marmor-Taufbecken
aus dem frühen 19. Jahrhundert und eine Reihe
wertvoller Gemälde aus dem 17. Jahrhundert.
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In
der Vorhalle unter dem Turm der Onze Lieve Vrouwekerk
erinnert ein Relief von Henry Pickery aus dem Jahr
1893 an Jacob van Maerlant, der hier der Überlieferung
nach beigesetzt wurde. Einen wissenschaftlichen
Beleg für die exakte Lages des Grabes gibt es allerdings nicht.
Der
ursprüngliche Maerlant-Grabstein ist im 19. Jahrhundert
entfernt worden. Man sagt, dass der Pfarrer damals
den ausgewaschen Grabstein entfernen ließ, weil
immer mehr Leute hierher kamen in dem Glauben, es
handele sich um das Grab von Till Eulenspiegel.
Einen Massentourismus zu seiner Kirche nur wegen
dem vermeintlichen Grab des
Possenreißers wollte der Geistliche auf alle Fälle
verhindern.
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Gegenüber
des Maerlant-Reliefs befindet sich der Eingang zum
Turm. Wir zahlen einen kleinen Obolus zur Unterhaltung
der Kirche und beginnen den Aufstieg über eine enge,
abenteuerliche Wendeltreppe.
Wir haben Glück
und erreichen den Glockenraum ohne Gegenverkehr.
Nun müssen wir nur noch eine letzte steile
Holztreppe hinauf, ...
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... dann werden
unsere Anstrengungen...
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mit einem tollen Ausblick auf Damme, die Polderlandschaft
und die Türme von Brügge belohnt.
Wir genießen
die Aussicht und die Ruhe ausgiebig und
bleiben die einzigen Turmbesteiger. Es fällt uns
schwer, den Weg nach unten anzutreten, aber wir
wollen unbedingt die letzte Abfahrt des Lamme Goedzak
Richtung Brügge erreichen, um nicht auch noch die
fünf Kilometer bis zur Dampoort zu Fuß gehen zu müssen.
Also kraxeln wir die engen Wendeltreppen - auch
diesmal ohne Gegenverkehr - wieder hinunter, um
durch die Burgstraat zum Schiffsanleger zurückzugehen.
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Auf dem Rückweg zum Schiff sehen
wir uns noch den Gedenkstein für Tijll Uilenspiegel
gegenüber der Liebfrauenkirche...
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und die daneben stehende Großskulptur
von Charles Delporte an, ...
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passieren das "Charles-Delporte-Museum" im alten
Schulgebäude in der Burgstraat, ...
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das im Innen- und Außenbereich Skulpturen
und Gemälde des Malers, Bildhauers, Dichters und
Komponisten präsentiert...
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... und erreichen
schließlich wieder die Damse Vaart Zuid...
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mit dem von Jef Claerhout
im Jahr 1979 modellierten Eulenspiegel-Denkmal.
Der in Bronze
gegossene Till Eulenspiegel hält allen Passanten
seinen Spiegel vor, die neben Till gruppierten Eulen,
Frösche
und der Esel erinnern an deren gemeinsamen Abenteuer mit dem Possenreißer.
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Nun
wird es aber wirklich Zeit. Wir erreichen den Lamme
Goedzak wieder auf den letzten Drücker...
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...
und nach etwas mehr als 7 Stunden sehen wir wieder
den Turm der Brügger Liebfrauenkirche auftauchen.
Für
einen Besuch der Dammer Museum hat die Zeit nicht
gereicht.
Deswegen werden wir wiederkommen!
Aber nicht nur der Museen wegen...
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