Foto-Reisebericht
- Reiseführer - Reise-Info
Gent "Vom Stadhuis
zur Vlaamse Opera und zur Sint-Michielsbrug"
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Nach
unserer Besichtigung des Belfort und der Lakenhal gehen wir hinüber
zu dem vor der "Sint-Niklaaskerk" gelegenen
"Emile
Braunplein".
Der Platz ist zurzeit
großflächig abgesperrt, weil er im Rahmen des bis
2012 laufenden Projektes "Kobra" vollkommen
neu gestaltet wird.
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Entlang
des Bauzauns spazieren wir nun zum Haus des Gefängniswärters
im Rokokostil,
das man zwischen Belfried und Lakenhal errichtete,
weil letztere ab 1741 als städtisches Gefängnis
genutzt wurde. Bis in das Jahr 1902!
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Über
dem Portal ist die Fassade mit einem großen Fries
verziert, das umgangssprachlich "Mammelokker"
genannt wird und eine Frau zeigt, die ihrem zum
Hungertod verurteilten Vater die Brust gibt und
diesem so das Leben rettet.
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Schräg
gegenüber des "Mammelokker" steht das
historische Rathaus von Gent.
Das
prächtige "Stadhuis" wurde in mehreren
Etappen erbaut, was man an den unterschiedlichen
Baustilen gut erkennt. Ältester
Teil ist der im Schatten liegende gotische Flügel
an der "Hoogpoort", der 1482 fertiggestellt
wurde und in dem sich der Ratssaal befindet.
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1518 begann man
nach den Plänen von Rombout Keldermans und von Dominik
de Waghemakere den Bau des reich verzierten, spätgotischen
Teiles mit dem Pazifikationssaal und der Taufkapelle.
Zur Errichtung des Gebäudetraktes zum Botermarkt
hin kam es jedoch nicht mehr, weil die Bauarbeiten
wegen des Aufstandes gegen Kaiser Karl V. und dessen
Folgen im Jahr 1540 eingestellt wurden. Der fehlende
Flügel wurde erst Ende
des 16. Jahrhunderts im Renaissancestil ergänzt.
Der
von Kaiser Karl V. im Jahr 1516 geadelte Rombout Keldermans
war Bildhauer und Stadtarchitekt von Mechelen. Er
plante
auch das Rathaus, die Kathedrale und das Palais
für Margarete von Österreich in seiner Heimatstadt.
Der Architekt Dominik
de Waghemakere machte sich auch als Erbauer der
Handelsbörse und der Kathedrale von Antwerpen einen
Namen.
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Die
spätgotische Fassade des Stadhuis ist mit einer
Vielzahl von Statuen verziert, ...
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darunter auch der berühmteste Sohn und Unterwerfer
der Stadt, Kaiser Karl V., sowie dessen Ehefrau Isabella
von Portugal.
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Besichtigen
kann man das Stadhuis nur im Rahmen einer täglichen
Führung am Nachmittag.
Aktuelle Infos zu Zeitpunkt,
Treffpunkt und Gebühr erhält man in der Tourist-Information
in der Lakenhal schräg gegenüber.
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Hinter
dem Stadhuis biegen wir nach links in die Straße
"Hoogpoort" ein, passieren das frühere
Gildehaus der Goldschmiede "De Samson" aus
dem Jahr 1481, ...
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gehen an Haus Nr. 15
"De Draecke" vorbei, das im 15. Jahrhundert
erbaut wurde und das heute von der Genter Universität
"Artevelde Hoogeschool" genutzt wird ,
an der mehr als zehntausend Studenten immatrikuliert
sind, ...
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und erreichen das Haus
"De Ram" mit der Hausnummer 10, das seit
2008 unter Denkmalschutz steht.
Die Fassade
des Gebäudes ist mit zehn Reliefs verziert: Unterhalb
der Obergeschossfenster sieht man mittig einen Widder
und die Inschrift "dit es den ram", rechts
und links davon die Worte "VRY HUYS" und
"VRY ERVE". Dieser Spruch spiegelt das
Selbstbewusstsein der stolzen Patrizier jener Zeit
wider und ist an weiteren Häusern der Stadt zu finden,
u. a. in der Serpentstraat und am Korenmarkt.
Die Reliefs
darüber zeigen einen Apotheken-Mörser, die Jahreszahl
1732 und die Porträts der Botaniker und Ärzte Rembert
Dodonaeus und Carolus Clusius.
Der in Mechelen
geborene Rembert Dodonaeus wurde nach seinem Studium
zum kaiserlichen Leibarzt berufen und veröffentlichte
wichtige botanische Werke und ein Pflanzenbestimmungsbuch.
Der aus Arras stammende Charles de l’Écluse (lateinisch
Carolus Clusius) studierte an den Universitäten
von Gent und Löwen und nahm in Leiden eine Professur
für Botanik an. Ihm wird die Gründung des dortigen
Botanischen Gartens zugeschrieben.
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Durch
den nahe gelegenen Stadhuissteeg kehren wir zum
Emile
Braunplein zurück.
An der Südseite des Platzes
schauen wir uns die jüngst im Rahmen der Neugestaltung
des Platzes von den Archäologen freigelegten
Fundamente an und gehen dann...
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hinüber zur "Sint-Niklaaskerk" an der
Westseite des Platzes.
Das Gotteshaus der
Genter Kaufleute und Gildemeister wurde im 13. Jahrhundert
auf den Resten einer romanischen Vorgängerkirche
errichtet, die im Jahr 1120 wegen eines massiven
Brandschadens abgerissen werden musste.
Die aus
Blausteinen
im Stil der Scheldegotik gestaltete Kirche mit ihren
schlanken Türmchen an den Ecken von Haupt- und Querschiff
wurde dem Heiligen Nikolaus
von Myra geweiht, dem Schutzpatron der Bankiers,
Pfandleiher, Schiffer, Kaufleute und Händler.
Letztere kamen durch das Stapelrecht, in Gent
Getreide einlagern zu dürfen, zu solch großem Reichtum,
dass sie den kostspieligen Bau der Sint-Niklaaskerk ganz überwiegend
finanzieren konnten.
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Der mächtige,
früher mit einer Spitze versehene
Vierungsturm diente bis zur Fertigstellung
des auf der anderen Seite des Emile Braunplein
stehenden Belfried auch als Uhr- und Wachtturm,
auf dessen Spitze Wächter postiert waren, die bei
Angriffen und Stadtbränden Alarm schlugen.
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Nach
dem Bildersturm der Protestanten und wegen wegbrechender
Handelsgewinne der Kaufleute durch sich ändernde
Handelsrouten wurde das Gotteshaus mehr und mehr
vernachlässigt. Während der französischen Revolution
wurde die Sint-Niklaaskerk dann ganz geschlossen und
geplündert.
Nach dem Abzug der französischen
Besatzer wurden in der stark demolierten Kirche
zwar wieder Gottesdienste abgehalten, aber erst
im 20. Jahrhundert konnte eine private Interessengemeinschaft
eine grundlegende Sanierung erreichen, die in den
1960-er Jahren begann und die erst in einigen Jahren
abgeschlossen sein wird.
Nach einer langen
Sperrung sind die Seitenschiffe, das
Hauptschiff und der Chor nun wieder zugänglich.
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Das
Altarbild des mit vier gedrehten Säulen verzierten
Hauptaltars zeigt Nikolaus von Myra während des
1. Konzils von Nicäa, bei dem er dem Verfechter
des Aranismus kämpferisch entgegentritt.
Über
dem wappenverzierten Rundbogen des Hochaltars steht
eine von Engelsfiguren umgebene Marmorstatue des
Heiligen.
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Im
Chorumlauf überrascht uns die teilweise vergoldete
Rückseite des Hochaltars, die ebenso filigran verziert
ist...
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wie die im Hauptschiff stehende
Kanzel.
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Im
späten Mittelalter wurden an die lichtdurchfluteten
Seitenschiffe und an den Chorumlauf eine Reihe
von Seitenkapellen mit eigenen Altären angebaut.
Die Zwischenräume schmücken mannshohe Heiligenfiguren,
die - wie die Kapellen - von den an Gras- und Korenlei
residierenden Kaufleuten und von den Gilden am nahen
Korenmarkt gestiftet wurden.
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In
der Sint-Niklaasstraat, gegenüber dem Eingang zur
Sint-Niklaaskerk, steht das "Metselaarshuis".
Das
ehemalige Gildehaus der Steinmetze aus dem 16. Jahrhundert
zeigt an seiner Fassade eine Reihe von Wappen, darunter
den Habsburgischen Doppelkopfadler sowie ein Relief
der Magd von Gent mit einem Löwen, die im aktuellen
Stadtwappen das schwarze Schild mit dem silbernen
Löwen hält.
Unter dem Metselaarshuis liegt
ein Kellergewölbe aus dem 13. Jahrhundert,
weshalb das Erdgeschoss erhöht angelegt werden musste
und eine Freitreppe vor dem Eingang erforderte.
Auf den sechs Türmchen des ungewöhnlichen
Treppengiebels drehen sich tanzende Figuren im Wind.
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Gleich
nebenan kann man feinste Genter Klöppelspitze bestaunen
und erwerben.
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Wenige
Schritte weiter erreichen wir die ehemalige Hauptpost
von Gent.
Das viel älter aussehende Gebäude
wurde
1903 nach den Plänen der Architekten Louis Cloquet und Stephan
(Etienne) Mortier in neogotischem Stil errichtet, um optisch zu den angrenzenden Fassaden am
Korenmarkt zu passen.
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Der 1849 im belgischen
Dorf Feluy geborene Louis Cloquet hatte vor der
Hauptpost schon
das
Universitätsgebäude von Gent geschaffen und plante
anlässlich der Weltausstellung 1913 sowohl die Neugestaltung des historischen Zentrums der
Stadt zwischen Belfort und Sint-Michielskerk als
auch den im Jahr 1912 eröffneten neuen Hauptbahnhof
"Gent-Sint-Pieters". Louis Cloquet verstarb
in Gent am 11. Januar 1920.
Stephan Mortier
wurde 1857 in Gent geboren, wo er am 5. Juni
1934 auch verstarb. Er plante u. a. die Erweiterung
und Renovierung der Sint-Michielskerk in Bree und
den Umbau des Tempeliershuis in Ieper zu einem Postamt.
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Zwischen
der Alten Hauptpost und der Sint-Niklaaskerk öffnet
sich der Korenmarkt, das alte Handelszentrum von
Gent.
Hier wohnten die wohlhabenden Kaufleute,
die seit dem 11. Jahrhundert das auf Leie und
Schelde angelieferte Korn vor dem Wiederverkauf
einlagerten.
Das letzte verbliebene Speichergebäude
wurde um 1900 abgerissen, um den Bau der Hauptpost
zu ermöglich.
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Erhalten
blieb eine Reihe historischer Wohnhäuser aus dem
17. und 18. Jahrhundert, darunter die
Bürgerhäuser Nr. 18/19 "De drie Posthoorns"
von 1640, das angrenzende Haus "De
Wapens van Zeeland" aus dem Jahr 1702 mit der
uns schon bekannten Inschrift "Vry Huys Vry Erve"
und
das schöne Barockhaus "Het Meuleken" von
1652 mit der Hausnummer 31.
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Zu den ältesten
Häusern der Stadt zählt das romanische Wohnhaus
"Borluutsteen" (Korenmarkt 7 und 8), das
die Kaufmannsfamilie Borluut im 13. Jahrhundert
errichten ließ. Das mit Sandsteinen aus Tournai
gebaute Patrizierhaus ähnelt in seinem Baustil
und
den verwendeten Baumaterialien dem
romanischen Lagerhaus an der nahegelegenen Graslei.
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Genau
so sehenswert
sind die aus dem 15. - 18. Jahrhundert stammenden
Treppengiebelhäuser in der vom Korenmarkt
abzweigenden Straße "Klein Turkije", in
der man...
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... mit
der Hausnummer 2
auch das älteste Haus der Stadt findet.
Das
ursprünglich "Kruideniershuis" genannte
Wohnhaus aus dem frühen 13. Jahrhundert wurde
später "Den rooden
Hoed" genannt.
Im "Roten Hut"
wohnte vom 04. bis
15.04.1521 der Maler Albrecht
Dürer während seines Gent-Aufenthaltes.
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Von
Korenmarkt aus gegen wir nun durch
die in den Südteil von Gent führende Veldstraat
- die wohl wichtigste Einkaufsstraße der Stadt.
Nach etwa 200 Metern passieren
wir das Museum Arnold Vander Haeghen, das u. a. eine
Rekonstruktion des Arbeitszimmers des Genter Literaturnobelpreisträgers
Graf Maurice Maeterlinck und einen chinesischen
Salon zeigt.
Das Foto des Museums speichert
unsere Kamera irgendwo
im Nirwana.
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Hier biegen
wir nach links in die Bonteleeuwstraat ein und erreichen
durch die Straße "Korte Meer" den "Kouter"
mit dem sonntäglichen Blumenmarkt
vor dem Musikpavillon. Der weitläufige, im
Jahr 1998 neu gestaltete Kouter diente im Mittelalter
als Turnierplatz, Pferdemarkt und Festplatz.
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An
der Südseite des Platzes steht ein Bauwerk mit einer
sehr bewegten Vergangenheit.
Das Gebäude
mit der Hausnummer Nr. 29 wurde in den Jahren 1738-1739
als "Hoofdwacht" für das Corps de Garde
nach den Plänen des Genter Architekten David 't
Kindt errichtet, ab 1779 wurde die Hauptwache jedoch
als Post mit zugehöriger Pferdewechselstation für
die Postkutschen der aus Regensburg
stammenden Familie Thurn und Taxis genutzt.
Nach
einem Umbau nahm hier 1867 das Kriegsgericht seinen
Sitz, ab 1885 diente das Gebäude als Telefon- und
Telegrafenamt.
Am 28.04.1901 eröffnete Prinz
Albert hier die Handelsbörse von Gent, die im allgemeinen
Sprachgebrauch schlicht "Beurs" genannt
wurde.
Nach einer
grundlegenden Renovierung und Umgestaltung des Gebäudeinneren
wird die Handelsbeurs seit
2002 als Konzertsaal genutzt,
auf dessen Bühne internationale Klassik-, Pop- und
Rockinterpreten von Weltrang auftreten.
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Ganz
in der Nähe des Genter Konzertsaales in der ehemaligen
Beurs befindet sich in der vom Kouter wegführenden
Schouwburgstraat auch das Opernhaus "Vlaamse
Opera".
Die
Genter Opern-Tradition begann bereits im Jahr 1698.
Da das erste kleine Opernhaus abbrannte, baute man
an gleicher Stelle die "Sint-Sebastiaansschouwburg",
die 1737 eingeweiht werden konnte.
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Mitte
des 19. Jahrhunderts war den reichen Genter
Industriellen die Sint-Sebastiaansschouwburg nicht
mehr repräsentativ genug. Deshalb wurde das Gebäude abgebrochen
und der Stadtarchitekt Louis Roelandt beauftragt,
in der neu angelegten Schouwburgstraat ein monumentales
Opernhaus zu errichten, das dem Flair der aufblühenden
Großstadt gerecht wird.
Louis Roelandt, der zuvor
schon die Aula Magna der Universität, den nahe gelegenen
Justizpalast und den großen Ballsaal am Kouter geplant
hatte, schuf daraufhin ein zum Baustil dieser Gebäude
passendes pompöses Opernhaus. Die Vlaamse Opera
wurde am 30. August
1840 eingeweiht und bietet bis zu zweitausend
Zuschauern Platz.
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Louis
Roelandts "Justitiepaleis" in Sichtweite
der Oper an der Veldstraat wurde von 1836 bis 1846
in neoklassizistischem Stil erbaut und wird - trotz
einem im Jahr 2007 fertiggestellten Neubau am Stadtrand
- auch heute noch von der Justizbehörde genutzt..
Vor
dem Justizpalast steht ein Denkmal für Hippolyte Désiré Metdepenningen, der
1817 als erster Doktor der Rechtwissenschaften
an der Genter Reichsuniversität promovierte. Er
war in Gent als Rechtsanwalt tätig und im Jahr 1846
Gründungsmitglied der Liberalen Partei.
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Die
Südseite des Justitiepaleis grenzt an die "Ketelvaart".
Der im 11. Jahrhundert gegrabene Kanal
verläuft hinter dem Opernhaus und der Handelsbörse entlang
und verbindet die Leie mit der Schelde.
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Das
gegenüberliegende Ufer der Ketelvaart trägt den
Namen "Ketelpoort". Er geht auf das früher
hier vorhandene Stadttor zurück, das in den Jahren
1777 bis 1780 abgebrochen
wurde.
Zwischen den modernen Hochbauten wirken
die einstigen Herrenhäuser aus dem Jahr 1754 klein
und eingeklemmt.
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Von
der Brücke über die Ketelvaart hat man
einen schönen Ausblick auf die sich unterhalb der
"Ketelbrug" am Ufer aneinander reihenden
kleinen Lokale.
Die Szenerie erinnert uns stark an
unseren Besuch der Lagunenstadt Lagunenstadt
Venedig und wir nehmen uns vor, hier bei
wärmeren Temperaturen einen Sommerabend zu
verbringen.
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Über
den Koophandelsplein, die Veldstraat und die Hoornstraat
erreichen wir die
"Predikherenlei", der wir in nördlicher
Richtung folgen.
Das jenseitige Ufer der
Leie begrenzt die langgezogene Rückseite des im
13. Jahrhundert gegründeten Dominikanerklosters "Het Pand".
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Die
Predikherenlei führt uns bis zur Sint-Michielsbrug,
von der man trotz der "Kobra"-Bauzäune nicht nur einen tollen
Ausblick auf die Sint-Niklaaskerk, den Belfroi
und den Turm der Sint-Baafskathedraal hat, ...
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... auch der
Blick auf die Alte Hauptpost und die angrenzenden
historischen Fassaden...
...
ist einzigartig und mit Worten nicht zu beschreiben.
Ganz
besonders hier auf der Sint-Michielsbrug gilt:
Das menschliche Auge sieht mehr als eine Kamera. Unsere Fotos können
nur den Appetit anregen.
Deshalb: Hinfahren und selbst ansehen!
Denn nichts ist besser als das Original.
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