Glaubt man den Seglern, die Kiel als
ihr Mekka ansehen, dann führt der schönste Weg in die Fördestadt
über das Wasser, das seit über 750 Jahren das Leben der
Stadt bestimmt.
Gegründet wurde Kiel nach der siegreichen
Schlacht gegen die Dänen bei Bornhöved im Auftrag von Graf
Adolf IV. von Holstein aus dem Hause Schauenburg auf einer vom Kleinen Kiel umgebenen
Halbinsel an der Förde im Jahr 1233, um zwischen den Dänen
im Norden und den Slawen im Osten einen Ostseezugang zu
erhalten. Die "Holstenstadt tom Kyle"
(= Holstenstadt an der Förde) wird in der Folge von Holsteinern,
Niedersachsen und Flamen besiedelt und erhält 1242 das
Lübische Stadtrecht. Es folgen die Münzgerechtigkeit, das
Stapelrecht und die Zollfreiheit. 1284 wird "tom Kyle"
Mitglied der
Hanse, spielt jedoch als Handelsstadt im Gegensatz zu Lübeck
und Flensburg
nie eine größere Rolle. Der langsame wirtschaftliche
Aufschwung kommt durch eine Pestepidemie im 14. Jahrhundert
zum Stillstand.
Im 15. Jahrhundert bestimmen Adel und Ritterschaft gemeinsam
über die Stadt und einigen sich nach dem Tod des kinderlosen
Adolf VIII., nur noch einen Landesherrn zu akzeptieren.
In Ripen wählen sie
1460 König Christian I. von Dänemark zum Herzog von Schleswig
und zum Grafen von Holstein und vereinigen dadurch die beiden
Länder unter der dänischen Krone, eine Verbindung, die mit
wenigen kurzen Unterbrechungen mehr als 400 Jahre halten
sollte. 1497 wird Kiel Sitz des Vierstädtegerichts
der vier Schleswig-Holsteinischen Städte mit Lübischem Recht.
1518 wird die Stadt von der Hanse wegen mangelnder Teilnahme
an gemeinsamen Aktivitäten und wegen der dirigistischen
Eingriffe des Landesherrn in den freien Handel ausgeschlossen. 1665 gründet Herzog
Christian Albrecht von Schleswig-Holstein-Gottorf die Kieler Universität mit einer theologischen,
juristischen, medizinischen und philosophischen Fakultät.
Professoren und Studenten kommen in die Stadt, die Uni ist
im Bereich der Medizin bald führend. Einen industriellen Aufschwung
bringt der Bau des Schleswig-Holstein-Kanals
zwischen 1777 und 1784, der von Kiel bis zur Eider führt
(auch Eiderkanal genannt) und die Nordsee mit der Ostsee verbindet und direkt vor
den Toren der Stadt in die Förde mündet. 1767 stellt der
dänische König Kiel unter seine Oberhoheit und lässt
Besatzungstruppen einmarschieren. Die Stadt hat damals etwa 6000 Bewohner.
Bis zum Beginn des
19. Jahrhunderts verdoppelt sich die Einwohnerzahl: Die Altstadt auf der Halbinsel droht zu platzen.
So kommt es zu einer Erweiterung der Stadt in südliche Richtung. Einen
weiteren wirtschaftlichen Aufschwung
bringt der Bau der Kiel-Altonaer-Eisenbahnstrecke mit sich,
die Handelsstadt Hamburg ist nun in zwei Stunden erreichbar. Während
der Napoleonischen Kriege wird Kiel 1813 von den Schweden
besetzt, im Jahr darauf regelt der Frieden von Kiel, dass
das Herzogtum Holstein trotz gegenläufiger Interessen in
Teilen der Bevölkerung auch weiter vom dänischen König regiert
wird, 1815 wird es Mitglied des Deutschen Bundes. 1848
konstituiert sich in Kiel eine Provisorische Regierung,
in den darauf folgenden Kämpfen mit Dänemark unterliegen
die Herzogtümer. In den 1860er Jahren brechen die schwelende
Konflikte zwischen
Dänen und Deutschen um die Zugehörigkeit von Schleswig-Holstein dann offen aus, und nachdem Dänemark die
im Deutschen Bund getroffenen Abmachungen missachtet, kommt
es zum Krieg. Am 29.12.1863 befreit der Deutsche Bund
unter Führung von Preußen und Österreich die Fördestadt
und am 18. April 1864 stürmen preußische Truppen die Düppeler
Schanzen: Schleswig-Holstein fällt an Preußen.
Mit der
Gründung einer Marinestation im Kieler Hafen, dem größten
natürlichen Tiefwasserhafen der gesamten Ostsee, beginnt 1865
ein rasanter Aufstieg der 16.000 Einwohner zählenden Kleinstadt,
die 1871 zum Reichskriegshafen des neugegründeten Deutschen
Reiches wird. Auf dem östlichen Fördeufer werden die Germania-,
die Howaldts- und die Kaiserliche Werft aus dem Boden gestampft,
Metall verarbeitende Industrie siedelt sich an, Artillerie-
und Torpedo-Werkstätten entstehen und der von Kaiser Wilhelm II. angeordnete
Flottenausbau lässt die Stadt aufblühen. Am 21.6.1895
weiht Kaiser Wilhelm den 99 Kilometer langen Kaiser Wilhelm-Kanal
(seit 1948 Nord-Ostsee-Kanal) ein, der auch
größeren Schiffen die Fahrt durch das von dänischen Kanonen
geschützte Skagerrak erspart
und zur meistbefahrenen künstlichen Wasserstraße weltweit
wird.
Innerhalb weniger Jahre verzehnfacht sich die Einwohnerzahl
von Kiel. Die
Stadt lebt nun von und mit der Marine und hat 1914 etwa eine
Viertelmillion Einwohner.
Mit dem 1. Weltkrieg verändert
sich das Leben der Kieler schlagartig. Über den Hafen, die
Stadt und das Umland wird der Kriegszustand verhängt. Die
Auflagen und Entbehrungen lassen aus der Kriegsbegeisterung
bald eine Kriegsmüdigkeit werden, die zu ersten Unruhen
führt, bei denen am 3. November 1918 in Kiel Demonstranten
erschossen werden. Daraufhin greifen beim Matrosenaufstand
die Seeleute zu den Waffen, meutern,
fordern Rede- und Pressefreiheit und die Abdankung des
Kaisers. Innerhalb weniger Tage greift die Novemberrevolution
auf viele andere Städte über, der Kaiser unterschreibt seine
Abdankung und die Weimarer Republik wird ausgerufen. Die Kriegsfolgen sind für Kiel dramatisch,
denn der Versailler Vertrag untersagt den Bau von Schiffen
und durch die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 kommen
auch
alle anderen Branchen zum erliegen. Die Arbeitslosenzahl
steigt dramatisch, die Einwohnerzahl
entwickelte sich zurück.
Mit der Machtübernahme
der Nationalsozialisten im Jahr 1933 ändert sich in Kiel
die Beschäftigungslage schlagartig. Das unglaubliche NS-Aufrüstungsprogramm wiederbelebt nicht nur die vorhandenen Werften, es zwingt
sogar zum Ausbau der Kapazitäten. Arbeitskräfte strömten
in die Stadt, die schnell auf 270.000 Einwohner anwächst. Die Howaldt-Werft
spezialisiert sich auf den Bau von U-Booten und alle Kieler Häfen werden
nun militärisch genutzt. Den Preis für diesen Aufschwung
zahlt Kiel nur wenige Jahre
später im 2. Weltkrieg: Bei knapp 100 Luftangriffen werden
die Werft- und Industrieanlagen fast vollständig zerbombt
und etwa 80 Prozent der Wohnhäuser zerstört oder schwer beschädigt,
knapp
dreitausend Menschen verlieren während der Luftangriffe
ihr Leben. Am 7. Mai 1945
wird die Ruine Kiel in Schutt und Trümmern, mit
zerstörter Infrastruktur und nur noch 150.000 Einwohnern an die Briten übergeben, die das
Ostufer besetzen und viele Werftanlagen demontieren.
Im Jahr 1949 wird die Fördestadt Landeshauptstadt von
Schleswig-Holstein, und nachdem Kieler Trümmerfrauen den
Schutt aus der Stadt geschafft haben, folgt der mühsame
Wiederaufbau. Da von der historischen Bausubstanz fast
nichts den Krieg überdauert hat, kann nur eine ganz neue
Stadt entstehen: Kiel wird modern,
großzügig und verkehrsgünstig geplant. Ab 1950 darf dann das Ostufer der
Förde wieder
genutzt werden und die Howaldt-Werft, die als einzige Werft
der Demontage entging, nimmt wieder die Produktion auf. 1954
erhält man den Auftrag zum Bau von zwei Tankern für den
griechischen Reeder Onassis, 1963 baut man mit der "Otto
Hahn" das erste atomar angetriebenen
Schiff, modernste U-Boote folgten. Kiel beginnt wieder aufzublühen. Auch und besonders
durch das Wirtschaftwunder. Die Kieler Häfen und Kaianlagen
werden inzwischen
überwiegend zivil genutzt: die Fähr- und Frachtlinien verbinden
die Stadt mit Skandinavien und Osteuropa, Luxusliner machen
am Bollhörnkai fest und nehmen ihre zahlungskräftigen Kreuzfahrt-Passagiere
an Bord. Kiel wird zu einem Dreh- und Angelpunkt des Ostseeverkehrs.
Und während der Kieler
Woche, der größten Segelveranstaltung weltweit, sind mehr
als zweitausend Segelboote auf der Förde unterwegs. Nicht
nur dann lohnt sich ein Spaziergang an einer der schönsten
Uferpromenaden Europas entlang der vier Kilometer langen
Kiellinie und dem Hindenburgufer.
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Anreise
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Kiel liegt am Südende
der Kieler Förde, einem Teil der Ostsee, der 18 Kilometer
weit ins Land hineinreicht.
Mit der Bahn kann man den
Kopfbahnhof Kiel Hbf über Hamburg mit den ICE-Zügen der
Deutschen Bahn erreichen, Regionalverbindungen im Stundentakt
bestehen nach Hamburg, Lübeck, Flensburg und Husum.
Mit
dem Auto erreicht man Kiel über die A7 und die A210 von Norden
bzw. die A215 von Süden kommend. Über Eckernförde bzw. über
Plön erreicht man die Stadt über die B76, von Fehmarn benutzt
man die B202, die beide durch Kiel führen.
Der
Kieler Hafen ist neben Rostock Deutschlands größter Passagierhafen.
Von hier verkehren die Ostseefähren nach Oslo, Göteborg
und Klaipeda,
Frachtfähren verbinden Kiel mit St. Petersburg und Kaliningrad.
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