Eine erste Besiedlung
der Gegend um Xanten erfolgt in der Mittelsteinzeit.
Funde im Stadtzentrum und in der nahe gelegenen Ortschaft
Wardt belegen die Anwesenheit von Menschen hier
am Ufer des Rheins um 5.500 vor Christus. Eine dauerhafte
Besiedlung im Bereich des heutigen Archäologischen
Parks ist für die Eisenzeit um 700 vor Christus
nachgewiesen.
Zur Absicherung
ihres inzwischen weit nach Norden ausgedehnten Reiches
errichten die Römer zur Zeit von Kaiser Augustus
ein erstes Militärlager auf dem südlich
der heutigen Stadt gelegenen Fürstenberg, das den
Namen "Vetera I" erhält. Von hier
aus starten sie einige ihrer Eroberungsfeldzüge.
Im Jahr 9 nach Christus dringt der Befehlshaber
Publius Quinctilius Varus mit drei Legionen - darunter
auch viele Legionäre aus Vetera I - in das noch
nicht unterworfene germanische Siedlungsgebiet ein,
um den römischen Herrschaftsbereich bis an die Elbe
und die Saale auszudehnen und dadurch die Nordgrenze
des Römischen Reiches deutlich zu verkürzen. Varus
trifft im Teutoburger Wald auf das von dem Cheruskerfürsten
Arminius geführte Heer verbündeter germanischer
Stämme, dem es
gelingt, die zahlenmäßig weit überlegenen römischen
Truppen in unwegsames Gelände zu locken und in der Varusschlacht vernichtend zu schlagen: Die
15.000 Legionäre der drei römischen Legionen werden von den Germanen
abgeschlachtet, Varus und dessen Offiziere nehmen
sich angesichts der vernichtenden Niederlage das
Leben. Die Römer ziehen sich danach auf die Verteidigungslinie
entlang der Donau und des Rheins zurück.
Die stärker werdenden germanischen Stämme überwinden
in der Folge immer wieder die germanisch-römische
Grenze. Im Jahr 70 gelingt es den Batavern sogar,
den Rhein zu überschreiten und das Militärlager
Vetera I zu zerstören. Dann schlägt das Imperium
zurück. Die Römer errichten etwas weiter östlich - deutlich größer
und noch besser befestigt als Vetera I - das
Militärlager Vetera II, in dem eine komplette
Legion stationiert wird.
Nördlich
des Militärlagers entsteht im Sog der Truppen nun
eine römische Siedlung,
die um 100 n. Chr. das römische Stadtrecht erhält
und die nach Kaiser Traian benannt wird: Colonia Ulpia
Traiana. Die Stadt wird zum Zentrum der Region am
Niederrhein und nach Colonia Agrippinensis - dem
heutigen Köln - zum zweitwichtigsten Handelsplatz
in Germanien, der in seiner Blütezeit mehr als 15.000 römische
und romanisierte
Bewohner hat.
Mitte des 4. Jahrhunderts lässt der
römische Kaiser Flavius Claudius Iulianus im gesamten
römischen Herrschaftsgebiet die Christen verfolgen.
Bekenner der neuen Religion werden unabhängig ihres
Standes getötet: Der römische Soldat Viktor und
dessen Gefährten werden nahe Colonia Ulpia Traiana ermordet,
weil sie sich weigern, den römischen Göttern zu
opfern.
Nach dem Tod von Iulianus sind dessen Nachfolger
auf dem römischen Kaiserthron in Glaubensangelegenheiten toleranter
und das vermeintliche Grab von Viktor wird zur christlichen
Pilgerstätte. Um
385 errichtet man über dem Doppelgrab eine Totenkapelle,
Jahrhunderte
später wird man über
dem Märtyrergrab den Dom St. Viktor bauen...
Mit
dem Machtverlust der Römer im 5. Jahrhundert
mehren sich die Überfälle der Germanen, denen die römischen
Truppen bald nicht mehr dauerhaft Stand halten können.
Sie setzen sich fluchtartig ab und ziehen sich
hinter die Alpen nach Mailand zurück. Die nun schutzlosen
und von den Franken bedrängten Bewohner geben notgedrungen
ihre Stadt auf, deren Gebäude
nach und nach verfallen.
Bronzetafel
an der Stadtmauer von Xanten mit Motiven der Nibelungensage
"Dô wuochs in Niderlanden
eins vil edelen küneges kint, des vater, der hiez
Sigemunt, sîn muoter Sigelint in einer rîchen
bürge, wîten wol bekant, nidene bî dem Rîne, diu
was ze Santen genant. Sîvrit was geheizen, der
snele degen guot."
In
diesem Jahrhundert der Völkerwanderung, so berichtet
die Nibelungensage, wächst hier am Niederrhein Siegfried,
der Sohn von König Siegmund und dessen Gemahlin
Sieglinde heran. Nach seinem Ritterschlag besiegt
Siegfried
von Xanten den Drachen Fafnir und zieht an den
Hof des Burgunderkönigs in Worms
und heiratet Kriemhild. Gemeinsam kehren sie nach
Xanten zurück und Siegfried übernimmt von seinem
Vater die Herrschaft über "Niderland".
Auf Einladung der Burgunder kehren sie Jahre später
nach Worms zurück, wo die Tragödie der Nibelungen
ihren Lauf nimmt, die zu Siegfrieds Tod durch Hagen
von Tronje führt und mit dem Untergang der Nibelungen
am Hofe Königs Etzels endet.
Nachdem
die Römer im 5. Jahrhundert Germanien verlassen
haben, wächst um die Kapelle südlich der verlassenen
Römerstadt eine kleine Marktsiedlung. Das Baumaterial
für diese neue Siedlung stammt ganz aus der Nähe:
Colonia Ulpia Traiana wird als Steinbruch genutzt.
Mitte
des 8. Jahrhunderts ist aus der Kapelle über
dem Märtyrergrab eine romanische Kirche geworden,
die von einem Stift umgeben ist, das zu Ehren von
Viktor gebaut wurde und "ad Sanctos" genannt
wird - bei den Heiligen. In unmittelbarer Nähe des
Viktorstiftes siedeln sich Handwerker und Kaufleute
an und in der Folge geht der Name "ad Sanctos"
auch auf die Siedlung über. Später wird daraus Xanctum
und Xanten.
Mitte des 10. Jahrhunderts
wird der Kölner Erzbischof weltlicher
und
kirchlicher Herrscher über die Stadt, in der ihm
Ende dieses Jahrhunderts
im Westen der Stiftsimmunität eine Bischofsburg
gebaut wird. Unter dem Schutz und der Herrschaft
der Kölner Erzbischöfe gewinnt Xanten mehr und mehr
an Bedeutung. Im 11. Jahrhundert werden in
der Stadt sogar Münzen geprägt.
1142
schließen Xanten, Wesel, Rees und Emmerich einen
Vertrag, in dem sich die Städte gegenseitige Markt- und Zollfreiheit
zusichern. Davon profitieren nicht nur die Kaufleute,
die neben ihren Handelswaren auch die Produkte der
ortsansässigen Handwerker nun deutlich günstiger
vermarkten können. Mit der steigenden Produktion
und dem wachsenden Handel kommt Wohlstand in die
Stadt, in der im Jahr 1180 mit dem Bau der staufischen Westseite
des Doms begonnen wird.
Am 15. Juli 1228
verleiht Erzbischof Heinrich I. von Müllenark Xanctum das Stadtrecht und unterstreicht damit die
gewachsene Bedeutung der Stadt. 35 Jahre später,
am 29. August 1263, legt Propst Friedrich von
Hohenstaden, ein Bruden von Konrad von Hohenstaden,
Nachfolger von Heinrich I. auf dem Kölner Bischofsstuhl,
den Grundstein für den neuen gotischen St. Viktor Dom.
Der staufische Westbau wird dabei in den Neubau
integriert. Das Märtyrergrab
des heiligen Viktor wird zum Ziel einer stetig steigenden Zahl von Wallfahrern.
Historisches
Siegel
der Stadt Xanten
Wegen
leerer Kassen verpfändet der Kölner Erzbischof die
Stadt Xanten von 1322 bis 1331 an das Herzogtum
Kleve. Die schon zuvor bestehenden Differenzen -
Erzbischof Heinrich von Virneburg wollte die Grafschaft
nach dem Tod von Graf Otto als erledigtes Lehen
einziehen - führen im ausgehenden 14. Jahrhundert
zu einer immer stärker werdenden
Rivalität und zu mehreren Kriegen zwischen Erzbischof
Friedrich III. von Saarwerden und Graf Adolf I.
von Kleve. Da
Xanten in dieser Zeit faktisch ungeschützt und nur
der Immunitätsbezirk von einer steinernen Wehrmauer
umgeben ist, erhält die Stadt nun eine acht
Meter hohe Stadtmauer mit achtzehn Wehrtürmen und
vier massiven Stadttoren. Während der "Linner
Fehde" gewinnt der Erzbischof zwar Linn und
Rheinberg, Rees und der nördliche Teil der Stadt
Xanten fallen aber an Kleve. Die Stadt wird geteilt,
das Mitteltor entsteht als "Grenzübergang"
vom Klever Nordteil in den Kölner Süden der Stadt, die nun
Diener zweier Herren ist.
Als der Rat der
zum Erzbistum Köln gehörenden Stadt Soest in der
ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Loslösung
vom Erzbistum betreibt und sich in einem Fehdebrief
den Klever Herzog Johann I. als neuen Landesherrn aussucht
, kommt es zur Soester Fehde von 1444-1449.
Kaiser Friedrich III. greift ein und verhängt
über die Soester die Reichsacht. Der Streitmacht
des Erzbischofs gelingt es zwar, mehrere gegnerische
Städte einzunehmen, Soest
und das befreundete Lippstadt
aber widerstehen dem Kölner Söldnerheer. 1499 kommt
es nach einer Vermittlung durch Phillip von Burgund
zum Friedensvertrag von Maastricht: Soest bleibt
bei Kleve, Köln behält die eroberten Städte und
der südliche Teil von Xanten wird dem Herzog von
Kleve zugeschlagen. Dieser ist nun alleiniger Herr
über die Stadt.
Nach dem Tod des
letzten Herzogs von Kleve im Jahr 1609 kommt es
zum Jülisch-Klevischen-Erbfolgestreit, der 1614
mit dem
Vertrag von Xanten beigelegt wird und mit dem das Herzogtum
Jülich dem Herzogtum Pfalz-Neuburg zugeschlagen
wird; das alte Herzogtum Kleve fällt mit allen Besitzungen
- neben Xanten u. a. auch die Städte Soest und Lippstadt
- an das Kurfürstentum Brandenburg.
Die
Bewohner von Xanten müssen während des 30-jährigen Krieges, des
Französisch-Niederländischen Krieges und des Spanischen
Erbfolgekrieges mehrfache
Besetzungen durch spanische, hessische und später auch
französische Truppen ertragen und durchfüttern.
versorgen.
Schwere Missernten verstärken die bestehenden Versorgungsprobleme.
Als dann auch noch der Rhein langsam sein Flussbett
von der Stadt weg verlagert, verschlechtern sich
die Handelsmöglichkeiten der Kaufleute. Es kommt
zur Stagnation
und schließlich zur Rezession. Viele Bewohner verlassen
Xanten, das nun dramatisch an Bedeutung verliert
und nur noch knapp zweitausend Einwohner hat.
1794
besetzen französische Truppen die Stadt und bleiben
bis 1814. Kaiser Napoleon lässt während dieser Zeit
alle Klöster schließen, im Jahr 1802 wird auch das
St. Viktor-Stift säkularisiert. Der Kaiser selbst
besucht Xanten im Jahr 1811 und lässt dem Stiftsherren
und Gelehrten Cornelius de Pauw einen Obelisk als
Denkmal setzen.
Nach Napoleons Sturz werden
während des Wiener Kongresses 1814/1815 die Grenzen
in Europa neu gezogen. Eine der vielen Änderungen
auf der Landkarte wirkt sich auch auf Xanten aus,
das nun an Preußen fällt und im Zuge der Preußischen
Verwaltungsreform dem Kreis Rheinberg zugeordnet
wird. Die wirtschaftliche Lage der Stadt bessert
sich dadurch aber nicht. Im Gegenteil. Der Unterhalt
der öffentlichen Bauwerke kann nicht mehr finanziert
werden, weshalb das "Marstor", das "Scharntor"
und ein Großteil der Stadtmauer abgerissen wird.
Lediglich das "Klever Tor" und die heutige
Kriemhildmühle bleiben erhalten.
Erst Mitte
des 19. Jahrhunderts bessert sich mit der Ansiedlung
von Textilfabriken, Brauereien und Schnapsbrennereien
langsam die wirtschaftliche Situation in der von
der Landwirtschaft geprägten Stadt, in der nun wieder
mehr als dreitausend Menschen wohnen. Und man erinnert
sich an die Geschichte von Xanten: Im Bereich der
ehemaligen Römerstadt Colonia Ulpia Traiana und
der einstigen Militärlager Vetera beginnt man mit
ersten archäologischen Grabungen.
Wappen der
Stadt Xanten
Während des
Zweiten Weltkrieges wird die Altstadt von Xanten
mehrfach bombardiert. Schwere Schäden an einer
Vielzahl von Häusern und am Dom sind die Folge,
dessen Nordturm einstürzt. Am 8. März 1945 wird
die Stadt schließlich von den Alliierten eingenommen.
Der Krieg ist damit für Xanten noch nicht beendet,
denn nun nimmt die Wehrmacht die Stadt von der rechten
Rheinseite aus unter Beschuss, die Stadt wird
fast vollständig zerstört.
Der Wiederaufbau
der Altstadt und die detailgetreue Rekonstruktion
des Doms durch den Denkmalschützer Walter Bader
gestalten sich schwierig und ziehen sich bis in
die 1960-er Jahre hin. Durch die Aufnahme von Flüchtlingen
und die kommunale Neugliederung des Jahres 1969
wächst Xanten wieder: Bei Kriegsende lebten hier
nur noch etwa 2.500 Menschen, nun hat die Stadt
mehr als 16.000 Einwohner.
Mit der Sanierung
und Restaurierung alter Gebäude im Stadtkern sowie
der Rekonstruktion historischer Großbauten auf dem
Gelände der ehemaligen Römerstadt Colonia Ulpia Traiana und
der Eröffnung des Archäologischen Parks im Jahr
1977 zieht Xanten nicht nur historisch interessierte
Touristen an. 1982 weiht man das Freizeitzentrum
Xanten mit "Nordsee" und "Südsee"
ein, das in den Sommermonaten zum Magneten für
Wassersportler wird.
Ein weiteres Highlight wird
im Jahr 2008 eröffnet. Das moderne Römermuseum im
Archäologischen Park führt den Besucher anhand ausgestellter
Originalfunde durch die vierhundertjährige Geschichte
der Römer am Rhein, die mit der Eroberung durch
die Legionen begann und der Aufgabe des römischen
Herrschaftsgebietes nördlich der Alpen endete. Das
Römermuseum ist architektonisch und museal so toll
gestaltet, dass man sich schon heute auf das nächste
Xantener Museumsprojekt freuen darf: Derzeit entsteht
in den Räumen des ehemaligen Regionalmuseums ein
Nibelungenmuseum. Der "Nibelungen(h)ort"
wird voraussichtlich im kommenden Jahr eröffnet.
Dass die Xantener den von Hagen von Tronje im Rhein
versenkten Nibelungenhort gefunden haben darf freilich
bezweifelt werden, denn in den Rheinauen zwischen
Worms und Mainz wird immer noch nach ihm gesucht...
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