Lage: |
Alpen, Schweiz, Tessiner Alpen, Adula-Alpen, Graubünden, Tessin |
Talorte: |
Disentis im Vorderrheintal und Biasca im Leventina-Tal |
Streckenlänge: |
20 km ab Disentis und 41 km ab Biasca |
Maximale Höhe: |
1.914 m |
Maximale Steigung: |
14 % |
GPS-Koordinaten: |
|
Mautgebühr: |
Nein |
Letztmals befahren: |
September 2017 |
Der Lukmanierpass verbindet dass
Vorderrheintal in Graubünden mit dem Valle Santa Maria im Tessin
und nutzt dabei eine Senke zwischen dem 3.016 m hohen Piz
Rondadura in den Tessiner Alpen im Westen und dem 3.140 m hohen Scopi in den Adula-Alpen
im Osten.
Der Fund römischer Münzen belegt, dass der Übergang schon sehr
früh bekannt war. Mit der Gründung des Klosters Disentis um
das Jahr 720 gewann er an Bedeutung und war das gesamte Mittelalter
über der wichtigste Schweizer Pass, vielleicht auch weil er
mit seiner vergleichsweise geringen Höhe im Winter weitgehend
offen gehalten werden konnte.
In den Jahren 1872 bis 1877 erhielt
die Alpentraversale eine durchgehende Fahrstraße, aber
mit dem Ausbau der Splügenstraße und des Gotthardpasses wurde
es um den Lukmanier spürbar ruhiger. Daran änderte auch die
Modernisierung und Verbreitung der Passstraße ab den 1950er
bis in die 1970er Jahre nichts mehr. Und mit der Eröffnung der
Gotthard-Autobahn im Jahr 1980 verlor der Lukmanierpass dann
endgültig seine überregionale Bedeutung. Er wird heute überwiegend
touristisch genutzt.
Von unserem Quartier in Cavagnago
kommend befahren wir den Lukmanierpass vom südlichen Talort
Biasca aus. Nach wochenlangem Sonnenschein musste
es uns irgendwann einmal erwischen. Heute ist es nun soweit: Im
Dauerregen
folgen wir dem Fluss Brenno durch das Bleniotal nach Norden,
passieren die Ortschaften Malvaglia, Aquarossa und Aquila und
erreichen nach 22 Kilometern die Gemeinde Olivone, in
der die Lukmanierstraße nach Westen schwenkt. Es herrscht wenig
Verkehr und wir kommen trotz des Regens gut voran.
Hinter
Olivone beginnt die eigentliche Südrampe des Lukmanier. Den
bewaldeten Nordostabhang der Punta di Larescia querend gewinnt
sie schnell an Höhe und folgt über Pianezza und Camperio
dem Valle Santa Maria. Hier lässt der Regen etwas nach und durch die
schnell ziehenden Nebelschwaden sehen wir, dass es hinter den
Bergrücken deutlich heller wird. Das Regengebiet haben wir wohl
bald hinter uns.
Und tatsächlich: Im Wald bei Pian Segno auf
1.700 Metern Höhe ist die Fahrbahn zwar
weiterhin nass, aber es nieselt nur noch ganz leicht.
Kurz darauf erreichen wir das
auf 1.820 Metern Höhe gelegene "Infocentro
Casaccia Lucomagno", das ebenso wie der zugehörige Kiosk
Mitte September schon geschlossen ist. Das im Juni 2005 eingeweihte
Infozentrum informiert die Besucher des Valle di Benio und des
Valle Santa Maria über die Naturschönheiten der Gebirgstäler
und erläutert die
Bewirtschaftung der Wiesen- und Weideflächen der Lukmanier-Hochgebirgsregion.
Der Regen hat aufgehört, aber der
Himmel oberhalb der Passhöhe ist immer noch grauschwarz. Wir sind skeptisch und lassen vorsichtshalber
das Dach unseres MX-5 noch geschlossen.
Gut so, denn nur zwei Kilometer
weiter prasselt es wieder auf uns herab. Ein Genuss
ist die Fahrt auf dem Schlussanstieg nicht, denn der Asphalt ist nun
sehr rutschig und der Nebel
lässt keine weiten Ausblicke mehr zu.
Gegen 10 Uhr erreichen
wir die vierzig Kilometer hinter Biasca gelegene Passhöhe mit dem Hospezi Santa Maria
und entschließen uns zu einem ungeplanten Boxenstopp. Wir wollen abwarten, ob sich das Wetter nicht doch noch
bessert und gönnen uns ein zweites Frühstück.
Bereits
im Jahr 1374 existierte unterhalb der Passhöhe des Lukmanier
ein der Heiligen Maria geweihtes Hospiz, das der Abt des Klosters
Disentis erbauen liest. Das historische Gebäude musste 1964
dem im Bau befindlichen Stausee Lai da Sontga Maria weichen
und wurde weiter oben neben der ebenfalls verlegten Passstraße
neu errichtet und am 1. August 1965
eröffnet. Siebenundzwanzig Jahre später verkaufte das Kloster
Disentis das Hospiz an dessen langjährige Pächter, die es im
Folgejahr renovierten und erweiterten. Über die Passhöhe verläuft die Kantonsgrenze zwischen Graubünden
und dem Tessin sowie die Europäische Wasserscheide zwischen
Rhein und Po.
Etwas oberhalb des Hospizes
steht die Kapelle Sontga Maria, die am 15. Oktober 1967
der Himmelfahrt Marias geweiht wurde. Sie wurde von dem Architekten
Josef Rieser aus Baden geplant und von den Nordostschweizerischen Kraftwerken
finanziert, denn sie ersetzte die ebenfalls dem Stausee geopferte
historische Kapelle des überfluteten alten Hospizes. Die aus
dem 16. Jahrhundert stammenden
Fresken der alten
Kapelle wurden gerettet und sind nun im Neubau zu sehen. Sie
zeigen die Muttergottes,
den Heiligen Johannes und den Heiligen Martin.
Wir sind hier oben nicht
die Einzigen, die im Hospiz auf Wetterbesserung warten: Mehrere
Oldtimer-Freunde aus den Kantonen Schwyz und
Sankt Gallen haben wie wir auf der Passhöhe ihre gemeinsame Ausfahrt ins Tessin unterbrochen.
Aber eine Wetterbesserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil:
Der Regen prasselt immer stärker auf die Dächer der toll hergerichteten
Veteranen.
Wir werfen noch einen
kurzen Blick auf den wetterbedingt nicht einladend aussehenden
Stausee Lai da Sontga
Maria, dessen Wasserkraft von den Kraftwerken Vorderrhein zur
Stromgewinnung genutzt wird, ...
... dann durchfahren wir
die wegen Bauarbeiten nur einspurig nutzbare Scheitelgalerie,
in der auch der 1.972 Meter hohe Kulminationspunkt des
Lukmanierpasses liegt.
Hinter der Galerie erreichen
wir die Bogenstaumauer Santa
Maria des drei Kilometer langen Stausees Lai da Sontga
Maria. Die 117 Meter hohe, bogenförmige Staumauer wurde
1968 geschlossen. Ihre Dimensionen sind beeindruckend: Die
Mauer ist an ihrem Fuß 21 Metern breit, selbst die 560 Meter
lange Mauerkrone misst noch 8 Meter und sie hält einem Druck
von fast 70 Millionen Kubikmeter Wasser stand.
Zwei Kehren führen uns
nun hinunter zum Fuß der Staumauer und zu der auf knapp 1.900 Metern
Höhe gelegenen Alp Vatgira.
Die Nordrampe folgt nun
in weit gezogenen Kurven dem oberen Val Mendel und wird in mehreren
exponiert liegenden Abschnitten durch Galerien vor Lawinen und
Murenabgängen geschützt.
Etwa dreizehn Kilometer
hinter der Scheitelhöhe passieren wird dann die Ortschaft Platta...
... und erreichen entlang
des durch das Val Medel plätschernden Flüsschens Froda...
... den Ortseingang von Curaglia.
Das größte Dorf des Tales hat etwa 300 Einwohner und wird von
der Kirche St. Nikolaus überragt.
Die restlichen acht Kilometer
hinunter in den nördlichen Talort sind abwechslungs-
und kurvenreich. Wir durchfahren mehrere unbeleuchtete Tunnel, passieren die Medelser Schlucht und erreichen hinter dem Zusammenfluss
des Medelser Rheins und des Vorderrheins den Kur- und Wintersportort
Disentis, der von der Klosteranlage St. Martin überragt wird.
Das größte und wohl auch älteste Benediktinerkloster der Schweiz
wurde Ende des 17. Jahrhunderts im Barockstil erbaut, die
nach den Plänen von Caspar Moosbrugger errichtete Klosterkirche
mit ihrer Doppelturmfassade wurde 1712 geweiht. Ein
erstes Kloster existierte hier bereits im 8. Jahrhundert.
Nach
einem kurzen Rundgang durch das Zentrum starten wir den Roadster wieder und
verlassen Disentis auf der Kantonsstraße 2 in westlicher Richtung, denn wir wollen
weiter zum Oberalppass.
Weitere
Infos:
http://www.alpentourer.de/
Das menschliche Auge sieht mehr als eine Kamera:
Unsere Fotos sollen nur den Appetit anregen.
Deshalb: Hinfahren und selbst ansehen!
Denn nichts ist besser als das Original.