Lage: |
Alpen, Schweiz, Gotthard-Gruppe, Zentralschweiz, Kanton Tessin |
Ausgangsorte: |
Airolo (S) |
Streckenlänge: |
14 km ab Airolo |
Maximale Höhe: |
2.106 m |
Maximale Steigung: |
13 % |
GPS-Koordinaten: |
|
Mautgebühr: |
Nein |
Letztmals befahren: |
Juli 2023 |
Der 2.106 Meter hohe Gotthardpass
zählt heute zu den wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen durch die Alpen. Zwischen Göschenen (1.100 m) und Andermatt (1.445 m) im
Norden sowie Airolo (1.160 m) im Süden gelegen, bietet er vier
Wahlmöglichkeiten, vom Vierwaldstättersee ins Tessin zu kommen:
Eisenbahn- und Autobahntunnel unterqueren das Gotthardmassiv (ital.:
Massiccio del San Gottardo),
die Gotthardstraße und die alte Poststraße führen über den Scheitel. Nachdem
wir von Göschenen aus über Andermatt und Hospental auf der Gotthard-Nordrampe
-
teilweise auf erhaltenen Fragmenten der alten Poststraße - bis zum Scheitel
aufgefahren sind, wollen wir nun auf der "Tremola" genannten
alten Südrampe hinunter nach Airolo weiter touren.
Diese
vierzehn Kilometer lange Südauffahrt auf den Gotthard wurde in
den Jahren 1827 bis 1832 nach den Plänen des Ingenieurs Francesco
Meschini aus Alabadia im Tessin erbaut. Die Passstraße überwindet die knapp neunhundertfünfzig Höhenmeter
mit Hilfe von vierunddreißig Kehren bei einer Durchschnittssteigung
von fast sieben Prozent. Nach mehreren Sanierungen entspricht sie
heute mit ihrem erhalten gebliebenen Granitstein-Pflaster dem Ausbauzustand
des Jahres 1951 und ist das längste Straßenbaudenkmal der Schweiz. Ihr
Name geht auf das wilde "Val Tremola" zurück, das "Tal
des Zitterns", das die Südrampe der neuen Bundesstraße aus
den 1950er Jahren im Westen umgeht.
Nach einem Rundgang über die
Scheitelhöhe
des St. Gotthard starten wir vor dem "Albergo San Gottardo"
die Talfahrt über die alte Südrampe hinunter nach Airolo in der
Leventina.
Die "Tremola" genannte alte Passstraße verlässt die Scheitelhöhe
zwischen dem Albergo San Gottardo und dem Museo Nazionale
di San Gottardo, vor dem eine alte Kutsche an die Zeit der Postkutschen
erinnert, die nach der Fertigstellung der Gotthardstraße
im Jahr 1830 begann. Die Kutschen der Gotthardroute starteten täglich
in Flüelen
am Vierwaldstättersee und erreichten nach dreiundzwanzig
Stunden und einem Dutzend Pferdewechseln ihr Ziel am Comersee. Die letzte
Postkutsche überquerte den Gotthard im Herbst 1881, weil abzusehen
war, dass sich der
Reiseverkehr auf den fast fertig gestellten Eisenbahntunnel verlagern
würde, der im Folgejahr am 22.05.1882 eröffnet wurde.
Immerhin: Heute sind wieder Fahrten
im historischen Fünfspänner möglich!
Die sechs bis sieben Meter
breite und als "561" kartierte Tremolastraße ist mit Granitsteinen
gepflastert, steinschlaggefährdet und für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen
Gesamtgewicht gesperrt. Mit etwa sieben Prozent senkt sie sich in
einem weiten Rechtsbogen...
... zu der auf zweitausend
Metern Höhe gelegenen ersten der vierundzwanzig oberen Kehren.
Bei der zweiten Kehre
wurde - wie bei mehreren anderen auch - ein kleiner Schotterparkplatz angelegt, ...
... auf dem wir unseren MX-5 abstellen, ...
... um uns die nachfolgenden, am Osthang des engen
Val Tremola spektakulär übereinander
gestapelten vier Ebenen der Passstraße und die Galerie der "Nuova Strada del
Passo del San Gottardo" genannten neuen Südrampe am gegenüber
gelegenen Westhang
des Tals anzusehen.
Danach folgen wir der
sich mit ihrem holperigen Pflaster talwärts windenden Straße, in
deren engen, aber meist gut einsehbaren Kehren teilweise weit ausgeholt
werden muss, um sie zügig durchfahren zu können. Viel Verkehr herrscht
hier nicht, ab und zu passieren wir Radsportler, die sich in Richtung
Scheitel mühen. Es gehört wohl viel Begeisterung und Selbstvertrauen
dazu, mit Steigungswerten
bis zu dreizehn Prozent auf die vielen bis zu acht Meter hohen Stützmauern
der Kehren zuzufahren. Respekt!
Langeweile kommt hier
nicht auf, denn die Tremola ist abwechslungsreich: Hinter jeder
Kehre hat man neue Ausblicke auf den weiteren Streckenverlauf und
ins Tal.
Und die alte Rampe ist
anspruchsvoll: Sie verliert deutlich schneller an Höhe als die im
steilen Ostabfall der 2.738 Meter hohen "Fibbia"
auf weiten Strecken durch Galerien geführte neue Straße.
Seitlich der Tremola
blieb ein Großteil der alten Kilometersteine wie der auf
1.850 Metern Höhe erhalten, von dem aus es noch zehn Kilometer bis in
den Talort Airolo sind.
Ganz ungefährlich ist
die Tremola nicht, besonders bei der Talfahrt und nasser Straße:
Das wellige, stellenweise löchrige Kopfsteinpflaster wird dann
spiegelglatt und die Begrenzungssteine stehen weit auseinander.
Wie müssen hier früher die Pferde geschwitzt haben, die die Postkutschen
und Transportwagen stundenlang bis zum nächsten Pferdewechsel die
Tremola hochziehen mussten.
Mit der beginnenden Motorisierung - im Jahr 1895 soll das erste
Auto über den Pass gefahren sein - verkürzte sich die Fahrzeit über
den Gotthard deutlich. Der Schriftsteller Otto Julius
Bierbaum überquerte im Jahr 1902 in einem "Adlerwagen"
auf der Rückfahrt von Italien den Scheitel und schrieb: "Wir
sind um zehn Uhr in Bellinzona abgefahren und um sieben Uhr in Brunnen
angekommen. Allerdings nach der Melodie «Immer langsam voran» -
sonst hätten wir zu 136,4 Kilometer nicht 9 Stunden gebraucht. Aber
es bleibt für einen einzylindrigen, achtpferdigen Motor eine sehr
respektable Leistung, einen großen Wagen mit drei Personen und schwerem
Gepäck, im ganzen eine Laste von 22 Zentnern, über diesen Berg zu
schleppen." (aus: Die
großen Alpenpässe - Reiseberichte aus neun Jahrhunderten, Georg
Hanke, Süddeutscher Verlag).
Auf 1.730 Metern Höhe endet die enge Kehrenfolge. Die alte
Südrampe überquert nun den vom "Lago della Sella" herunterkommenden
Gebirgsbach "Foss", der im Westen von Airolo in den "Ticino"
mündet, ...
... und passiert kurz
dahinter einen Lüftungsschacht der "Galleria stratale del
San Gottardo".
Vorbei an der Schranke
für die Wintersperre läuft die Tremola dann...
... mit perfektem Asphalt
auf die auf 1.645 Metern Höhe gelegene Unterquerung der neuen
Südrampe zu, ...
... hinter der die erste der
vier mittleren Kehren durchfahren wird.
Dahinter läuft die Tremola
auf die durch eine weitere Galerie und eine Rechtskehre herunterkommende
neue Straße zu, ...
... die sie kurz darauf
erneut unterquert. Bei der Auffahrt zur
"Nuova strada"...
... bleiben wir auf der alten Straße, die nun
"Via San Gottardo" genannt wird und wieder mit Granitsteinen
gepflastert ist.
Mit schönen Ausblicken auf Airolo geht
es dann hinunter ins Valle Leventina.
Überraschend für uns:
Auf der alten Trasse verkehren Postbusse, die in den Kehren die
gesamte Straßenbreite benötigen! Und die grundsätzlich Vorfahrt
haben!
Noch mehrmals ändert
sich hier oben der Straßenbelag, ...
... bis dann kurz vor
der unteren Kehrengruppe zum letzten Mal vom Granitpflaster auf
Asphalt gewechselt wird. Durch die nun folgenden sechs Kehren...
... senkt sich die
Tremola...
... mit Blick auf die
Gipfel von "Camoghè" (2.310 m), "Pian Alto"
(2.239 m) und "Föisc" (2.208 m)...
... zu dem auf 1.200 Metern
gelegenen Ortseingang des eineinhalbtausend Einwohner zählenden
Talortes Airolo,
in dem vor dem Bau der beiden Gotthard-Tunnel mehr als doppelt so
viele Menschen lebten.
Vorbei am Abzweig der
Straße zur Autobahn und zum Nufenenpass (ital.: Passo della Novena)...
... folgen wir der
"Via San Gottardo"...
... zu dem im Westen
von Airolo oberhalb
des südlichen Tunnelportals der Gotthardbahn gelegenen Kreisverkehr,
von dem aus wir auf die Schweizer Hauptstraße 2 auffahren, um von Fiesso-Rodi
aus über die "Strada di Prato" und die sich anschließende
"Via Cantonale" das Bergdorf Dalpe zu erreichen.
Weitere
Infos:
https://climbfinder.com/de/anstiege/gotthardpass-airolo
Nostalgie
Tremola
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