"Wie steigst, o
Lübeck, du herauf in alter Pracht vor meinen Sinnen An des
beflaggten Stromes Lauf, mit stolzen Türmen, schart´gen Zinnen! Gleich
einer Fürstin standest du, der Markt war dein und dein die Wege, Du
führtest reich dem Süden zu, was nur gedieh in Nordens Pflege. Es
bot der Norweg seinen Zoll, der Schwede bog sein Haupt, der
Däne, Wenn deine Schiffe segelvoll vorüberflohn, des Meeres
Schwäne." Emanuel Geibel (1815-1884)
Das Gebiet zwischen Trave, Schwartau
und Wakenitz ist schon zur Zeit der Jungsteinzeit dünn besiedelt.
Anfang des 9. Jahrhunderts errichten Abodriten, ein Stamm der
Westslaven, eine Burganlage am Zusammenfluss von Schwartau und
Trave. Der Name dieser ersten Siedlung "Liubice" wird
erstmals im 11. Jahrhundert in einer Geschichtschronik erwähnt.
Im Jahr 1138 wird dieses Alt-Lübeck vom slawischen Stamm der
Ranen zerstört.
Fünf Jahre später gründet Graf Adolf
II. von Schauenburg die Siedlung mit dem ersten Hafen an der
Ostsee neu, allerdings 6 Kilometer weiter südlich auf einer
Halbinsel zwischen Trave und Wakenitz, aber schon 1157 vernichtet
ein Großbrand die Ortschaft, die von den Einwohnern verlassen
wird.
1159 gründet dann Heinrich der Löwe das heutige
Lübeck an gleicher Stelle. Heinrich erkennt die strategischen
Möglichkeiten der Stadt als ein "Tor zur Ostsee",
stattet sie mit zahlreichen Privilegien aus und verleiht ihr
ein Stadtrecht, das auf dem Recht der Stadt Soest
basiert und später als "Lübisches Recht" von
mehr als 100 Städten an der Ostsee übernommen wird.
1160
verlegt Heinrich der Löwe den Bischofssitz von Oldenburg in
Holstein nach Lübeck. Mit dem Klerus kommen Kaufleute, Händler
und Handwerker in die Stadt. Bereits 1163 weiht man einen ersten,
aus Holz gebauten Dom, ab 1170 beginnt man mit dem Bau weiterer
Sakralbauten und 1173 legt man den Grundstein für einen Backstein-Dom.
Dass Heinrich der Löwe die Stadt im Jahr 1181 an Kaiser Friedrich
Barbarossa abtreten muss, wirkt sich für Lübeck nicht nachteilig
aus: der Kaiser bestätigt alle von Heinrich gewährten Rechte
und überträgt im Jahr 1188 weitere Privilegien, darunter das
Wasser-, Wald- und Fischereirecht.
1226 erhebt Friedrich
II. Lübeck zur freien Reichsstadt, ein Status, den die Stadt
bis ins 20. Jahrhundert behält - mehr als 700 Jahre lang! Die von Friedrich II. übertragene
Reichsfreiheit ermöglicht Lübeck einen unabhängigen Handel,
der auch durch den neuen Schiffstyp der seetüchtigen "Kogge"
mit einer Transportkapazität bis zu 200 Tonnen mächtig an Aufschwung
gewinnt.
 Lübecker
Stadtsiegel aus dem 13. Jahrhundert
Im Jahr 1300 schließt sich die Stadt der Hanse an,
einem Zweckverband deutscher Handelsstädte. Etwas später spielt Lübeck
dann nicht nur die zentrale Rolle im Ostseehandel, es dominiert
auch die Hanse. Mit dem Erwerb von Travemünde schafft man sich
1329 einen eigenen Zugang zur Ostsee und mit einem eigenem Heer
und eigener Flotte sichert Lübeck seine Wirtschaftsinteressen
und die Privilegien der Hanse in der Folge auch militärisch:
in schweren Kämpfen wird zwischen 1364 und 1370 der Dänenkönig
Waldemar, der zuvor die Hansestadt Wisby eingenommen hatte,
mehrfach geschlagen und Kopenhagen eingenommen. Im nachfolgenden Frieden von
Stralsund erreicht die Stadt als "Königin der Hanse"
die Ostsee-Herrschaft, ein dänischer König kann ohne Zustimmung
der Hanse nicht mehr gewählt werden. Lübecks Währung wird zur Leitwährung
im gesamten Ostseehandel, und der Lübecker Rat wird zur Appellationsinstanz
für alle Hansestädte mit Lübecker Recht. Die Stadt an der
Trave wird auch Sitz der alle drei Jahre stattfindenden "Tagsatzung",
der Tagungen des Hansebundes, und der Lübecker Bürgermeister
erhält den Vorsitz der Föderation, deren Zweck hauptsächlich
die Erhaltung und der Ausbau der städtischen Unabhängigkeit,
die Sicherung der Handelsniederlassungen und der Handelswege zu Land und zu Wasser sowie die
Regelung von Streitigkeiten unter Mitgliedern war. Jede Stadt
war zudem verpflichtet, im Kriegsfall Schiffe und Mannschaften
abzustellen.
Die Bedeutung
der inzwischen 20.000 Einwohner zählenden Stadt unterstreicht
Kaiser Karl IV. bei seinem Besuch im Jahr 1375: er bezeichnet
Lübeck neben Rom, Florenz,
Pisa
und Venedig
als eine der "fünf Herrlichkeiten des Reiches".
Auch
im Jahr 1523 erringt Lübeck einen großen politischen Erfolg:
mit seiner Flotte besetzt die Stadt an der Trave Stockholm und
erzwingt gegen Dänemark die Wahl des schwedischen Königs Gustav
Wasa.
Der Niedergang lässt jedoch nicht mehr lange auf sich warten.
Die Hansestädte beginnen, sich um Getreide-Exporte zu streiten: die
Handelsinteressen, die einst zum Zusammenschluss des Bundes
führten, beginnen stark zu divergieren. Um 1530 erreicht mit
dem Volkstribun Jürgen Wullenwever die Reformation die Stadt,
der katholische Bürgermeister wird davongejagt. Wullenwever
kämpft für die Herrschaft des kleinen Mannes in der Kaufmannsstadt
und stellt die alten Werte auf den Kopf. Lübeck zahlt schwer
in den sieben Jahren des Wullenwever-Regimes und nur durch eine
undurchsichtige Intrige gelingt es, den Volkstribun zu stürzen:
er wird hingerichtet.
Zudem
verlieren in dieser Zeit mit der Entdeckung der neuen Schifffahrtswege nach
Amerika und Ostindien die alten Handelswege über die Ost- und
Nordsee an Bedeutung. Der Hansebund verschläft den großen
Wandel des Welthandels. Statt am aufblühenden Überseehandel
zu partizipieren, schickt Lübeck seine Flotte an der Seite Dänemarks
in einen Seekrieg gegen Schweden, während England und Holland
als Seefahrtnationen erstarken und sogar Teile des Ostseehandels
an sich ziehen.
 Kogge
auf einer Seidenstickerei aus dem 15. Jahrhundert
Zwar gelingt es Lübeck, im Dreißigjährigen
Krieg von 1618-1648 neutral zu bleiben, aber die Folgen des
Krieges schwächen den Hansebund. Erst jetzt versucht man, in
den Atlantikhandel einzusteigen - vergeblich. 1669 kommen noch
einmal neun Städte zum letzten Hansetag nach Lübeck. Das war's.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts leidet
die Stadt
unter dem Nordischen Krieg und hundert Jahre später unter der Franzosenherrschaft: nach
der Niederlage von Jena und Auerstädt zieht sich Blücher zurück
und besetzt das NEUTRALE Lübeck. Auf dem Burgfeld vor den Toren
der Stadt wird er dann am 6. November 1806 von Marschall
Bernadotte entscheidend geschlagen und zur Kapitulation unter
der "Blücher-Eiche" gezwungen. Für die Hansestadt
folgen Plünderungen und Einquartierungen, Lübeck
wird dem französischen Kaiserreich einverleibt. Erst mit dem
Wiener Kongress 1815 erhält Lübeck seine Selbständigkeit zurück.
Mit
der Anbindung an das Eisenbahnnetz um 1870, der Fertigstellung
des Elbe-Lübeck-Kanals und der Gründung des Hochofenwerkes im
Jahr 1906 beginnt die Industrialisierung Lübecks, das zu einer
Großstadt mit mehr als 100.000 Einwohnern heranwächst.
1926 feiert die Stadt ihre 700-jährige Reichsfreiheit, die aber
elf Jahre später durch das Groß-Hamburg-Gesetz des Jahres
1937 abgeschafft wird: Lübeck wird dem Land Schleswig-Holstein
angegliedert. Landeshauptstadt ist Kiel! Lübecker müssen nun
Schleswig-Holsteiner werden!
Noch schlimmer als die Angliederung:
Am Palmsonntag des Jahres 1942 vernichtet
ein britischer Bombenangriff große Teile der historischen Altstadt,
drei Jahre später wird es kampflos besetzt. Nach dem Krieg versucht
Lübeck, die Unabhängigkeit der alten Reichsfreiheit wieder herzustellen
und die Stadt nach dem Modell des Stadtstaates Hamburg aus dem
Land Schleswig-Holstein als eigenständiges Bundesland herauszulösen.
Vergeblich: das Bundesverfassungsgericht lehnt den Antrag 1956
ab, Lübeck bleibt bei Schleswig-Holstein. Kommentar vor Ort:
"In unserer Geschichte haben wir drei Besatzungsmächte
erleben müssen. Die Franzosen und die Engländer sind wir los..."
Mit einem
engagierten Wiederaufbau
und der Renovierung der historischen Bausubstanz wird 1949 begonnen, die letzte Altstadtkirche wird 1987 wiedererstellt.
Im gleichen Jahr erklärt die UNESCO Lübecks Altstadt zum Weltkulturerbe.
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Begleiten Sie uns nun
auf
unserem Rundgang durch die Hansestadt Lübeck, das "Tor
des Nordens", durch dessen Altstadtgassen auch Bernd
Notke, Johann Balhorn, Dietrich Buxtehude, Emmanuel Geibel,
Heinrich und Thomas Mann, Erich Ponto, Ida Boy-Ed, Julius Leber,
Willy Brandt und Günter Grass spazierten.
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