Foto-Reisebericht
- Reiseführer - Reise-Info
Norwegen Kirkenes "Zentrum
der Barents-Region"
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Wir nähern
uns Kirkenes auf der Europastraße 6 und passieren
den 15 Kilometer außerhalb der Stadt gelegenen Flugplatz
"Kirkenes lufthavn". Hinter der Ortschaft
Hesseng fahren wir an den Seen "Tredjevatn"
und "Stuorrajárvi" vorbei bis zum "Førstevatn",
an dessen Ufer uns goldfarbene Buchstaben anzeigen,
dass wir nach einer zehnstündigen Fahrt das Zentrum der Barents-Region
erreicht haben.
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Am
Ostufer des Førstevatn findet man in einem langgestreckten
Gebäude die
beiden Museen "Grenselandmuseet"
und "Saviomusea", einen Museumsshop und ein
kleines Café.
Das Grenzlandmuseum
thematisiert Kirkenes und die Region Süd-Varanger
als Grenzgebiet und informiert über dessen Geschichte,
Wirtschaft und Kultur.
Das Saviomuseum zeigt
Werke des aus dem nahen Bugøyfjord stammenden Samen John Andreas Savio.
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John Andreas
Savio wurde am 28. Januar 1902 geboren, studierte an der
Staatlichen Kunstakademie in Christiania (heute
Oslo) und schuf überwiegend Holzschnitte. Als erster
samischer Künstler erhielt er
eine eigene Ausstellung in der Nationalgalerie. Seinen künstlerischen Durchbruch
konnte er nicht mehr erleben, denn er verstarb am
9. April 1938 im Alter von 36 Jahren.
Savio gilt heute als der bedeutendste sämische Künstler.
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Vor
dem Museumskomplex steht die von Tone Thiis Schjetne
im Jahr 1998 geschaffene Skulpturengruppe "Fugler
fluer over". Wir sind schon in Trondheim
auf die aus Oslo stammende Bildhauerin aufmerksam geworden.
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Bevor
wir uns nun weiter in der Stadt umsehen, fahren
wir zu dem von uns gebuchten "Barents
Frokosthotell" am Presteveien. Das Zimmer kostet
147 Euro pro Nacht inklusive Frühstück.
Wir
checken ein und stellen fest, dass das Beste am
Hotel dessen Außenansicht ist:
Das Haus ist
total abgewohnt und die Teppiche in den Fluren sind
ausgefranst. In Dusche und Toilette breitet sich
schwarzer Schimmel aus, die Bettwäsche hat Löcher,
die Jalousie lässt sich nicht schließen und der
Brandmelder an der Decke ist mit Klebeband zugeklebt.
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Da unsere Kreditkarte
entsprechend den Buchungsbestimmungen auch bei Stornierung
oder Nichtnutzung des Zimmers belastet wird, schlucken
wir die bittere Pille und schaffen das Gepäck nach
oben.
Das hätten wir besser nicht gemacht.
Denn wir haben zu diesem Zeitpunkt noch nicht registriert,
was wir in der Nacht dann leidvoll erfahren: Im
Nachbargebäude hat eine gut ausgelastete Taxi-Zentrale
ihren Sitz. Das Warmlaufen lassen der Taxen, das
An- und Abfahren, das Türenschlagen und die Musik
aus Autoradios ist in unserem zur Straße hin gelegenen
Zimmer nicht zu überhören. Viel Schlaf gibt es für
uns deshalb nicht.
Unsere negativen Erfahrungen
dokumentieren wir umgehend im Buchungsportal. Andere
Hotelgäste auch: Einige Monate nach unserem Aufenthalt
ist das Barents Frokosthotell über www.booking.com
nicht
mehr zu buchen.
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In
Sichtweite des Hotels steht an der Kirkegate die"
Kirkenes kirke". Mit ihrem Bau wurde 1957 begonnen
und laut der Jahreszahl über dem Eingangsportal
wurde sie 1959 geweiht.
Die Pläne für den
Kirchenneubau fertigte der Architekt Sofus Hougen,
als Baumaterial dienten Beton und Backsteine.
Die
Langkirche besitzt ein Hauptschiff und zwei durch Säulen abgetrennte schmale Seitenschiffe
und bietet 275 Sitzplätze.
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Das von dem
uns schon aus Trondheim
und Bodø
bekannten Bildhauer Kristofer Leirdal gefertigte Altarbild
besteht aus geschnitzten Figuren, die ein Kreuz
bilden.
Man sieht unten die Symbole der Evangelisten,
darüber das Jesuskind in der Grippe, dann Maria
und Johannes sowie Jesus am Kreuz und über allem
strahlt die Sonne als Symbol Gottes.
Der
Bildhauer Sivert Donali aus
Oppdal schuf die
mit den Symbolen für Glaube, Hoffnung und Liebe
verzierte Kanzel sowie das Taufbecken mit der weißen
Taube.
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Die neue
Pfarrkirche der Gemeinde Sør-Varanger ersetzte eine Vorgängerkirche,
die seit 1862 an gleicher Stelle stand. Während
der Bombardierungen des Jahres 1944 wurde sie schwer
getroffen und brannte ab.
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Die
nahe Fußgängerzone "Dr. Wessels
gate" wurde nach dem Bezirksarzt und Bürgermeister
Dr. Andreas Bredal Wessel benannt.
Der sozial
engagierte Arzt wies u. a. wissenschaftlich nach,
dass die bei Samen häufige auftretenden Hüftschäden
erblich bedingt sind.
Zuvor glaubte man,
dass diese Schäden auf den Gebrauch der "Komsen"
zurückzuführen sind, den traditionellen sämischen
Tragewiegen.
Die
Dr. Wessels gate ist eine Art "Gourmet-Meile".
Es gibt hier neben Cafés und Cafeterias auch eine
ganze Reihe Restaurants mit norwegischer, chinesischer,
türkischer und mexikanischer Küche.
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Am
Rådhusplassen steht das Rathaus der Stadt und der
Kommune Sør-Varanger.
Kirkenes hat etwa 3.500 Einwohner,
in der Kommune Sør-Varanger leben knapp 10.000 Menschen.
Viele
Jahre lebte man von der Verschiffung des Eisenerzes,
das am nahen See "Bjørnevatn" gefördert
wurde.
1996 wurde der wegen einer Marktschwemme
aus Billiglohnländern unwirtschaftlich gewordene
Abbau eingestellt.
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Trotzdem profitiert
man weiterhin vom eisfreien Hafen, in dem die Hurtigrute
endet und in dessen Docks nun überwiegend russische Schiffe überholt werden.
Und man profitiert
von der nahen russischen Grenze: Dank der Perestroika
hat sich nahe dem Hafen ein "Russen-Markt"
etabliert, der vom legalisierten kleinen Grenzverkehr lebt:
Aus dem Osten kommen Zigaretten und Alkohol, dort
wiederum ist Kaffee aus dem Westen gefragt. 15 Prozent der Bevölkerung sind Russen, die Straßenschilder
sind norwegisch/russisch und bis zur Großstadt Murmansk
sind es nur 220 Kilometer. Kirkenes entwickelt sich zum Tor nach Russland.
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Am
Ende der Kirkegate haben sich im Einkaufszentrum
"AMFI" eine Reihe von Bekleidungs-, Lebensmittel
und Sportgeschäfte sowie der staatliche Alkoholverkauf
"Vinmonopolet" angesiedelt.
In
der Bäckerei "MUST" gönnen wir uns ein
zweites Frühstück und freuen uns, auf die Angebote
der "Vitusapotek" verzichten zu können.
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An einer Wand im Einkaufszentrum ...
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wird gezeigt, wie es am Hurtigruten-Anleger im Jahr
1946 aussah, ...
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... an einer
Außenwand ...
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sieht man Kirkenes aus der Vogelperspektive.
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Durch
die Storgata spazieren wir nun ...
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zum Gebäude der "Aktieselskabet
Sydvaranger".
Das Erzbergbau-Unternehmen
wurde 1906 gegründet und förderte am See "Bjørnevatn" Eisenerz,
das auf der Schiene zu Hafen transportiert wurde.
Dort wurde das Erz
zu Pellets verarbeitet und verschifft.
Bis 1976 war der Betrieb sehr profitabel.
Der einsetzende weltweite Preisverfall machte danach
jedoch staatliche Zuschüsse von bis zu 5 Milliarden
Kronen pro Jahr notwendig.
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1996 beschloss die
Regierung, die Zuschüsse zu streichen.
Daraufhin musste die unrentabel gewordene Erzförderung noch im gleichen
Jahr eingestellt werden.
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In
der Grünanlage vor dem Gebäude erinnert
ein Gedenkstein an F. H. Behrens, der die Aktiengesellschaft Südvaranger
über mehr als
40 Jahre leitete.
Frederik Henrik
Behrens wurde am 16. April 1883 in Walsrode
geboren. Er lies sich in der Schweiz und in den USA
zum Bankkaufmann ausbilden. 1904 wurde er von der Norddeutschen
Bank angestellt, für die er in Deutsch-Südwestafrika
eine Filiale aufbaute.
Nachdem sich "seine"
Bank als Hauptkreditgeber am Aufbau des Bergbauunternehmens
in Kirkenes beteiligte, schickte man den im Auslandseinsatz
erprobten Behrens als Vertreter der Norddeutschen
Bank nach Norwegen.
Er gewann schnell das
Vertrauen der Unternehmensleitung, wurde 1911
zum Geschäftsführer der A / S Sydvaranger ernannt
und nahm 1917 die norwegische Staatsbürgerschaft
an.
Behrens gelang
die Finanzierung
des notwendigen Firmenausbaus und er schloss profitable
Lieferverträge mit dem Ausland. So konnte unter seiner Leitung
in nur wenigen Jahren der Erzabbau von jährlich
300.000 auf mehr als 650.000 Tonnen gesteigert werden,
und er führte das Bergbauunternehmen erfolgreich
durch
die Weltwirtschaftskrise.
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Nachdem
die deutsche Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg Kirkenes
dem Erdboden gleich gemacht und die Russen die Bergwerksanlagen
bombardiert hatten, schaffte Behrens den Neubeginn:
Er erstellte einen von allen Seiten akzeptierten
Finanzplan, indem er den Staat mit ins Boot holte, der
46 Prozent der Geschäftsanteile
übernahm.
Für
sein Wirken wurde Frederik Henrik
Behrens im Jahr 1936 zum Ritter des Sankt-Olav-Ordens
ernannt, 1954 zum Kommandeur mit Stern. Er
verstarb am
29. August 1960 in Oslo.
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Durch
die Wullsgate erreichen wir das Samfundshuset (Gemeinschaftshaus)
und die Bibliothek von Kirkenes.
Nach der
Kälte und dem vielen Regen am Nordkap ist es heute
angenehm warm, das Thermometer zeigt 11º Celsius.
Wir beschließen, das
traumhafte Wetter zu nutzen, um zum östlich des
Zentrums gelegenen Hafen von Kirkenes zu spazieren.
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Neben
der Feuerwache am Prestøyveien überrascht uns ein
Feuerwehr-Oldtimer.
Der
Dodge D.500 mit dem Baujahr 1963 wurde 2002 in den verdienten
Ruhestand versetzt, nachdem er 39 Jahre
in Kirkenes im Einsatz war.
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Viel Betrieb
herrscht am Hafen nicht.
Wir
sehen nur den 2014 erbauten russischen Fischtrawler
"Mekhanik S. Agapov"...
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und das im Jahr 2001 auf der Kleven Verft in Ulsteinvik
vom Stapel gelaufene Hurtigrutenschiff "M/S
Finnmarken", das für die Südtour nach Bergen
vorbereitet wird.
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Entlang
des Prestøyveien und des Haganesveien gehen wir
zurück Richtung Zentrum und sehen uns in der Roald Amundsen gate
das auf einer kleinen Anhöhe errichtete "Russemonumentet"
an.
Das Denkmal wurde am
8. Juni 1952 enthüllt. Es ehrt alle Soldaten
der Roten Armee, die bei den Kämpfen gegen die
mehr als 40.000 Mann starke deutsche Besatzung
zur Befreiung der Stadt am 25. Oktober 1944
gefallen sind.
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An der abschüssigen
Tellef Dahls gate südlich
des Russemonumentet befindet sich der Eingang zur "Andersgrotta".
Der
Luftschutzbunker wurde ab 1941 ausgehoben und nach
dem Ingenieur Anders Elvebakk benannt, der damals
die Grabungs- und Sprengarbeiten leitete.
In
der feuchten und kalten Andersgrotta überlebte der Großteil der
Bevölkerung von Kirkenes den Zweiten Weltkrieg.
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Kirkenes war damals wegen seiner strategischen
Lage nahe dem einzigen eisfreien russischen Hafen
in Murmansk stark
umkämpft: Während die deutsche Wehrmacht mit dem
"Gebirgskorps Norwegen" versuchte, diesen
Hafen
einzunehmen, um die Versorgung der Roten Armee durch
die Alliierten abzuschneiden, flogen russische Bomber Tag und Nacht
mehr als 320 Angriffe auf Kirkenes, das schwer
zerstört wurde.
Während der Zeit des Kalten
Krieges wurde der Schutzraum modernisiert und um
eine Trinkwasser- und Stromversorgung ergänzt. In den
1990er Jahren wurde die Andersgrotta dann für die
Öffentlichkeit zugänglich gemacht und kann seitdem
in den Sommermonaten besichtigt
werden. Während der Bunkerführung ist ein Kurzfilm
zu sehen, der die schrecklichen Ereignisse der Jahre
1941 bis 1945 in Erinnerung ruft.
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Der
Wegweiser vor der Andersgrotta ähnelt seinem Kumpel
in Narvik. Allerdings ist er aus Holz und witterungsbedingt
nicht so gut in Schuss.
Und anders als in
Narvik zeigen vor der Andersgrotta alle Ortsschilder in die gleiche
Richtung.
Spätestens hier wird dem Besucher
klar, dass in Kirkenes die westliche Welt endet.
Und dass man die Stadt nur nach Westen oder Südwesten
hin verlassen
kann - es sei denn, man besitzt ein Visum für die
Russische Föderation.
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Von
der Andersgrotta ist es nicht weit bis zum Torget,
dem Marktplatz, wo ein weiteres Denkmal an die schwerste
Zeit der Stadt erinnert.
Aber anstatt wie
üblich Soldaten zu ehren, würdigt das im Jahr 1994
aufgestellte "Krigsmødremonumentet"
den aufopferungsvollen Einsatz der Mütter während
des Zweiten Weltkrieges.
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An
der Südseite des Marktplatzes beginnt der Pasvikveien,
der zu der nahen Grünanlage "Pavillonparken"
führt, ....
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...
wo im Jahr 2006 das "Stoltenbergmonumentet"
enthüllt wurde.
Das von Odin Øistad geschaffene
Werk ehrt den Juristen und Diplomaten Thorvald Stoltenberg,
der seinem Land als Botschafter, Vizekonsul, Staatssekretär,
Staatsrat, Verteidigungs- und Außenminister diente.
Sein diplomatisches Wirken war aber nicht
auf Norwegen begrenzt: Ab 1989 fungierte er als
norwegischer Botschafter und Hoher Flüchtlingskommissar
bei den Vereinten Nationen.
Auf den Bildhauer
Odin Øistad sind wir schon am Hafen von Honningsvåg
aufmerksam geworden.
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Vom
Pavillonparken aus spazieren wir durch die Carl
Lunds gate zum Presteveien und passieren den Sportplatz
"Kirkenes
Idrettsplassen": Wir wundern uns über
den erstaunlich guten Zustand des Rasens, der doch
monatelang von Schnee bedeckt gewesen sein muss.
Auf
dem Platz ist der im Jahr 1908 gegründete Verein
"Kirkenes IF" zu Hause, dessen Fußballmannschaft
in der 3. norwegischen Division spielt.
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Hinter
dem Fußballplatz liegt das im Jahr 1990 gegründete
"Samovar
Teateret" ...
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und das moderne, am 19. Dezember 2007 eröffnete Hallenbad
"Barentsbadet".
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Gegenüber
existiert mit der "Barents Fjellhallen"
eine weitere Sportstätte.
Die Indoor-Sporthalle
entstand 1984 und stand lange Zeit Handball-, Volleyball-
und
Badmintonspielern zur Verfügung.
Aktuell
wird die Fjellhallen (vorübergehend?) als Transitzentrum
für marokkanische, tunesische, armenische und syrische
Flüchtlinge und Migranten genutzt, die über
die norwegisch-russische Grenze geschleust werden.
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Am
Friedhof von Kirkenes ändert der Presteveien seinen
Namen...
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... und
führt als Langørveien hinauf zum Prestefjellet,
von dem aus man ...
...
einen wunderschönen Blick auf Kirkenes, den Hafen und den
Bøkfjorden hat.
Wir sitzen hier lange und
genießen die Aussicht. Und bedauern, dass wir
nach vier Wochen in Norwegen nun die Heimreise antreten
müssen.
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