Archäologische Funde
belegen eine Besiedlung der weitgehend hochwassersicheren Landzunge
zwischen Donau und Inn bereits um 5000 vor Christus.
Im 1. Jahrhundert v. Chr. existiert hier
eine befestigte Siedlung
der Kelten, die den Namen "Boiodurum" trägt,
"Festung der Boier". Schon damals werden die
Flüsse als Handelswege zum Warentausch benutzt. Warum
die Kelten um 50 v. Chr. die Siedlung Boiodurum
aufgeben konnte bis heute nicht geklärt werden.
Ab dem
1. Jahrhundert n. Chr. stoßen die Römer nach Boiodurum
vor und errichten hier, an der Nordgrenze ihres Reiches,
eine befestigte Zollstation, die bis zum Jahr 100 n. Chr. zu
einem Kastell ausgebaut und erweitert wird, um die Innmündung
und den auf beiden Flüssen inzwischen regen Schiffsverkehr
zu sichern. Im Schutz dieses Kastells entwickelt sich
auch eine kleine Handelssiedlung. Um weitere
Truppen in dem strategisch wichtigen Gebiet unterbringen
zu können, erfolgt zehn Jahre später im Gebiet der heutigen Altstadt zwischen Donau
und Inn der Bau eines weiteren
Kastells, in das eine Kohorte der vom Niederrhein stammenden
und mit den Römern verbündeten "Bataver" einrückt
und das dadurch den Namen "Batavis" erhält.
Knapp zweihundert Jahre später entsteht am rechten Inn-Ufer
eine mächtige Festung mit mehr als drei Meter starken Mauern
und wuchtigen Ecktürmen, die in Abwandlung des alten
Siedlungsnamens "Boiotro" genannt wird und
die bis zu dreihundert Mann aufnehmen kann. Auch hier entwickelt
sich im Schutz der römischen Truppen eine kleine Siedlung,
deren Bedeutung jedoch weit hinter der des Kastells zurückbleibt.
In
der zweiten Hälfte des
5. Jahrhunderts gründet der durch Germanien ziehende
Missionar und Wandermönch Severin von Noricum im Bereichs
des Kastells Boiotro ein Kloster. Nach dessen Tod im
Jahr 482 verfasst sein Schüler Eugippus die "Vita
Sancti Severini", in der nicht nur das Leben des
heiligen Severin beschrieben wird, in der auch von verstärkten
Einfällen der Alemannen, dem Rückzug der römischen Truppen
und der Evakuierung der Bevölkerung von Boiotro und
Batavis berichtet wird. Ähnlich wie in Regensburg übernehmen
die Bajuwaren die Siedlungen und errichten zwischen
Donau und Inn eine Herzogsburg. Die weiteren
Ereignisse des 6. und 7. Jahrhunderts bleiben im
Dunkel der Geschichte. Erst 739 wird wieder über die
Siedlung berichtet, die in der lateinischen Geschichtsschreibung
nun den Namen "Patavia" trägt, von den Bajuwaren
"Pazzawe" genannt wird und die - wie Regensburg
- in diesem Jahr Bischofssitz wird, von dem aus die
Slawen im östlichen Donauraum missioniert werden. 739
wird auch das Kloster Niedernburg gegründet, das bis
zur Säkularisation im Jahr 1806 über tausend Jahre bestehen
wird.
Nach dem großen Hunneneinfall des Jahres
907 erhält Passau eine massive Stadtbefestigung, um
die Bevölkerung vor den wiederholten Angriffen der berittenen
Horden aus dem Ural zu schützen, die erst 955 mit dem
Sieg von König Otto I. in der Schlacht auf dem Lechfeld
entscheidend geschlagen und christianisiert werden.
Um
die Aufstände der mit den Böhmen und Polen verbündeten
Bayern unter deren Herzog Heinrich II. - auch "Heinrich
der Zänker" genannt - niederzuringen, erobert Kaiser
Otto II. im Jahr 977
die Stadt Regensburg und belagert und erstürmt mit seinem
Heer in der Folge auch die von Heinrich II. besetzte
Stadt Passau. Passau wird durch die Kriegshandlungen
schwer beschädigt, Heinrich der Zänker wird niedergerungen
und dem Bischof von Utrecht zur Bewachung übergeben.
Die herzoglichen Privilegien werden auf das Bistum übertragen
und der Passauer Bischof Pilgrim erhält als Ausgleich
für die Kriegsschäden die Reichsabtei Niedernburg. Die
bischöfliche Alleinherrschaft wird im Jahr 999 vollkommen,
als Kaiser Otto III. dem Bistum die Gerichtsbarkeit
sowie das Zoll-, Markt- und Münzrecht überträgt. Zwar
entzieht König Heinrich II. im Jahr 1010 Kloster Niedernburg wieder
der Geistlichkeit und wandelt es wieder zur Reichsabtei, doch
im 12. Jahrhundert gelingt es dem Bischof
von Passau, sich das Kloster endgültig anzueignen: Friedrich I. Barbarossa überträgt ihm die Abtei im Jahr 1161. Sein Nachfolger Heinrich VI. bestätigt die
Übertragung gegenüber
Bischof Wolfger von Erla, der seit 1191 in Passau herrscht
und gute Beziehungen zu Kaiser und Papst unterhält.
Wolfger von Erla vermittelt im Investiturstreit, wird
von Papst Innocent zum alleinigen Oberrichter ernannt,
nimmt am Kreuzzug 1197/1198 teil, avanciert zum Patriarchen
von Aquileia und wird Stellvertreter des Königs Philipp
von Schwaben, der ihm das Adelswappen mit einem aufrecht
gehenden roten Wolf verleiht, das Passau nach Wolfgers
Tod am 23. Januar 1218 als Stadtwappen übernimmt.
Wappen
von Passau
1133 wird eine erste Brücke über den Inn
geschlagen, die den aufwändigen und von Strömungen
abhängigen Fährbetrieb entbehrlich macht und die auch
den mehrfach durch Passau ziehenden Kreuzritter-Heeren
auf ihrem Zug nach Palästina die Querung des Flusses
erleichtert. Eine Holzbrücke
über die Donau folgt erst 1278.
1164
erhalten die Passauer Kaufleute von ihrem Bischof das
Marktprivileg. Im gleichen Jahr wird erstmals die Herbstdult als Handelsmesse erwähnt.
Mit dem Handel kommt Reichtum in die Stadt. Es bildet
sich eine Oberschicht, die mit ihrem Vermögen nicht
nur die kostspielige Stadtmauer finanziert, sondern
auch ab 1219 die für den von Kaiser Friedrich II. in
den Rang eines Reichsfürsten erhobenen Bischof Ulrich
die exponiert gelegene fürstbischöfliche Trutzburg Oberhaus.
Den erwirtschafteten Reichtum stellt man mit Wohntürmen
à la San Gimignano in der Toskana öffentlich zur
Schau. In dieser Zeit verschlechtert sich das Verhältnis zwischen Bürgerschaft
und Bischof zusehends: Die Verschuldung
des Bischofs wächst rapide und die Geld gebenden Kaufleute
sehen in der Veste Oberhaus inzwischen eine Zwingburg
gegen sich selbst. Um Aufständen vorzubeugen,
überträgt Bischof Gebhart im Jahr 1225 Passau die Stadtrechte
und damit der Bürgerschaft erste Mitspracherechte in
der Verwaltung. Unruhen kann dies allerdings nicht verhindern.
Mehrfach erheben sich die nach Selbstverwaltung strebenden
Bürger von Passau gegen die Herrschaft des Bischofs
und besetzen die Verteidigungsanlagen der Stadt, während
der Klerus in die Festung Oberhaus flieht. Die Versuche,
mit Gewalt den Status einer Freien Reichsstadt zu erzwingen
und damit nur dem Kaiser Untertan zu sein, scheitern
am Widerstand des Kaisers und an den Katapulten der
uneinnehmbaren fürstbischöflichen Festung hoch über
der Stadt. Die Jahrzehnte dauernden Auseinandersetzungen
finden 1367 ein Ende: Die durch habsburgische Einheiten
verstärkten Truppen des Fürstbischofs schlagen die Bürger
in der Schlacht bei Erlau endgültig.
Zu Beginn
des 15. Jahrhunderts wird in Passau wieder verstärkt
gebaut: 1407 erfolgt die Grundsteinlegung des neuen,
spätgotischen Doms, in den Folgejahren erhalten die
Inn- und die Ilzstadt eine Stadtbefestigung. Auch die
bestehenden Wehrtürme werden verstärkt oder erneuert
und die Flussufer befestigt. Bischof Leonhard von Layming,
von der Bevölkerung abgelehnt, weil er deren erkämpfte
Rechte wieder beschneiden will, lässt die fürstbischöflichen
Vesten Ober- und Niederhaus weiter befestigen und mit
einem Wehrgang miteinander verbinden. Dadurch wird er
für die Bevölkerung
unangreifbar: Veste Oberhaus war so zur größten Burg an
der gesamten Donau ausgebaut worden. 1476 entlädt sich
dann der Zorn der Bürgerschaft: Weil ein direkter Angriff
des Fürstbischofs sinnlos ist, werden statt seiner die
Passauer Juden, Schutzbefohlene des Landesherrn, Ziel
der Attacken. Während des Passauer Pogroms wird die
seit dem 12. Jahrhundert hier ansässige jüdische
Gemeinde unter dem Vorwand eines Hostienfrevels
verfolgt und die Gemeindemitglieder hingerichtet oder vertrieben.
Die jüdische Synagoge wird zerstört
und drei Jahre später an gleicher Stelle die Kirche
St. Salvator errichtet.
Das 16. Jahrhundert
beginnt für die Bewohner von Passau mit einer Katastrophe:
Das Jahrhunderthochwasser des Jahres 1501 überflutet
bei einem Pegelstand von nie wieder erreichten 11,50 Metern
weite Teile der Stadt. Einundzwanzig Jahre später schließen
König Ferdinand I. - ein Bruder von Kaiser Karl V. -
und Kurfürst Moritz von Sachsen den Vertrag von Passau,
in dem der Protestantismus formal anerkannt wird und
dem drei Jahre später der Augsburger Religionsfrieden
von 1555 folgt.
Wappen
von Passau
Die durch den profitablen Salzhandel
über den Goldenen Steig erreichte wirtschaftliche Blütezeit
der Stadt geht Ende des 16. Jahrhunderts einem
abrupten Ende entgegen, weil die Habsburger in der Stadt
Linz einen eigenen Salzhandel mit Böhmen aufziehen und
Bayern eine für Passau bestimmte Jahresproduktion in
Salzburg abfangen kann. Das endgültige Aus folgt im
Jahr 1611, als Bayern mit dem gewonnen "Salzkrieg"
die vollständige Kontrolle über die Salzproduktion in
der Stadt Hallein erringt. Die einst einflussreiche Handelsstadt
wird durch die wirtschaftlich und politisch aufstrebenden
Staaten Bayern und Österreich von ihren wichtigen Fernhandelswegen
abgeschnitten. In Passau geht dadurch eine dreihundertjährige
Ära des Wohlstandes zu Ende.
Weitere Schicksalsschläge
treffen die Stadt: 1634 und
1650 wütet die Pest, 1662 vernichtet ein großer Stadtbrand
die gesamte Altstadt und der Dom brennt bis auf die Grundmauern
ab; das gotische Passau existiert nicht mehr. Sechs
Jahre später hat man die Altstadt in Teilen wieder hochgezogen
und beginnt mit dem Bau des heutigen Doms. Passau entwickelt
sich nun zur geistlichen Stadt: eine theologische Hochschule
wird gegründet, Jesuiten siedeln sich an und die Klosterkirche
Mariahilf wird wegen ihres Madonnenbildes zur Wallfahrtstätte,
die bis zu hunderttausend Wallfahrer jährlich besuchen.
Zweimal
noch wird Passau zum Zentrum überregionaler Ereignisse:
1676 erlebt die Bischofsstadt die
Hochzeit von Kaiser Leopold I. und Prinzessin Eleonore
von Pfalz-Neuburg, 1683 flüchtet der Kaiser vor dem
kurz vor Wien stehenden osmanischen Heer in die mit Bastionen
verstärkte und uneinnehmbare Veste Oberhaus ins Exil.
Passau wird bis zum Sieg über die Türken in der Schlacht
von Kahlenberg für vier Wochen politischer Mittelpunkt
des Kaiserreiches.
Im 18. Jahrhundert wird Passau
zur barocken Residenzstadt ausgebaut. Wirtschaftlich
geht es Mitte des Jahrhunderts langsam wieder bergauf:
1763 gelingt die Ansiedlung einer Seidenmanufaktur,
1768
erscheint die erste Passauer Zeitung, 1789 wird die
erste Porzellanmanufaktur eröffnet. Ihren politischen
Status
als selbstständiges Fürstbistum verliert die Stadt im
Jahr 1803
im Rahmen der Säkularisation, 1806 wird Passau dem
neugegründeten Königreich Bayern angegliedert.
Verkehrspolitisch
erlebt die Stadt 1838 die Aufnahme der Passagierschifffahrt
auf der Donau, auf dem Inn verkehren Fracht- und Passagierschiffe.
Auch der Anschluss an das Eisenbahnnetz im Jahr 1860
und der Bau eines neuen Winterhafens 1903 verbessern
die Anbindung der Stadt an das grenzübergreifende Verkehrsnetz.
1911 wird die Hängebrücke
über die Donau gebaut, 1935 wird die Nibelungenhalle eingeweiht,
die mit einem Fassungsvermögen von bis zu zehntausend
Personen viele Jahre die größte Halle Deutschlands ist.
Die Kriegsjahre 1939-1945 übersteht Passau ohne
gravierende Schäden, weil sich die amerikanische Luftwaffe
auf die Bombardierung des Bahnhofs und der Hafenanlagen
beschränkt. Nach dem Krieg strömen Flüchtlinge und Vertriebene
aus Südosteuropa in die Stadt.
Last but
not least: 1973 wird Passau jüngste bayerische Universitätsstadt
und erhält mit der Eröffnung des Lehrbetriebs im Jahr
1978 zusätzliche wirtschaftliche Impulse. Siebentausend
überwiegend ausländische Studenten verjüngen die Passauer
Bevölkerung deutlich und geben dem kulturellen und gesellschaftlichen
Miteinander in der Stadt neue Impulse. Wegen ihres internationalen
Profils und der gelebten europäischen Verständigung
wird die Stadt Passau im Jahr 1980 folgerichtig vom Europarat in
Straßburg zur "Europastadt" ernannt.
Touristischen
Aufschwung erhält die Stadt durch den Fall des Eisernen
Vorhangs, der die Donau wieder als europäische Wasserstraße
attraktiv macht. Die hier ablegenden Kreuzfahrtschiffe
fahren nun über Wien hinaus bis nach Budapest und ins
Donaudelta am Schwarzen Meer. Die Anzahl der Anlegungen
hat sich seitdem mehr als verzehnfacht: Knapp zweitausend
mal im Jahr machen Hotelschiffe an Passaus Schiffsanlegern
fest.
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