Besiedelt ist die
Gegend um Rüthen schon zur Zeit der Cherusker. Im 7. Jahrhundert
dringen die Sachsen ein, die im Jahr 754 von den Franken
unter Karl dem Großen unterworfen werden. Damals existieren
zwischen Haarstrang und dem Möhnetal bereits mehrere
Dörfer, darunter auch Ruden, das heutige Altenrüthen.
Auf dem Reichstag
in Würzburg im Jahr 1180 wird
Herzog Heinrich der Löwe von Kaiser Friedrich I. Barbarossa
wegen Majestätsverachtung und wegen dem Diebstahl von Kircheneigentum
in Abwesenheit mit der Reichsacht belegt. Weil
Heinrich danach auch dem Gelnhausener Reichstag fernbleibt, werden
ihm sämtliche Güter und Reichslehen entzogen. Bayern
fällt an die Wittelsbacher, die Sächsische Pfalzgrafschaft
erhält Ludwig III. von Thüringen und der westliche Teil
seines Herzogtums Sachsen wird als Herzogtum Westfalen
an das Erzbistum Köln unter Erzbischof Philipp I.
von Heinsberg vergeben. Um den neuen Herrschaftsbereich
in Westfalen gegenüber dem benachbarten Grafen von Arnsberg
sowie dem Bischof von Paderborn abzusichern, beschließt
Philipps Nachfolger auf dem Kölner Bischofsstuhl, Adolf I.
von Altena, auf bisher ungenutztem Land der Ortschaft
Brunwardinghusen östlich von Ruden und nahe der Grenze
zum Arnsberger eine neue Stadt zu gründen. Die Gründungsurkunde
der aus strategischen Gründen auf einer Anhöhe errichteten Ortschaft,
die wie das nahegelegene Dorf auch Ruden genannt wird,
ist auf den 29. September des Jahres 1200
datiert und sichert dem Grafen Gottfried II. von
Arnsberg "... die Hälfte der Einkünfte, welche
innerhalb der Mauern und Umwallungen der Stadt, welche
wir bei Ruden zum Frieden
des Landes neu erbaut haben" zu. Deshalb geht man heute
davon aus, dass bereits kurz nach dem Amtsantritt von
Erzbischof Adolf I. im Jahr 1193 mit den
ersten Baumaßnahmen begonnen
wurde.
Der Ortsrand von Rüthen ist wegen der
unterschiedlich stark abfallenden Hänge sehr unregelmäßig,
die Hauptstraßen verlaufen dennoch wie in jeder "Reißbrettstadt"
rechtwinklig zueinander, hier in Nord-Süd- und in Ost-West-Richtung,
der alten sächsisch-germanischen Siedlungsart. Dieses
gleichmäßige Gitternetz ist auch heute noch vorhanden
und wurde nur durch einzelne Verbindungsgasse etwas
aufgebrochen. Als vollständige Neugründung ist Rüthen kein Einzelfall,
denn dreizehn Jahre zuvor wurde das ganz in der Nähe
gelegene Lippstadt
ebenfalls auf Ackerland neu gegründet.
Da die
Siedlung von Anfang an mit einem Wall und einer Palisade
befestigt ist, erfolgt sehr schnell ein starker Zuzug
von außen. Die Bewohner mehrerer benachbarter Dörfer,
darunter Schneringhusen, Hevinghusen, Haderinghusen
und Meeste geben ihre alten, gewachsenen, ungeschützten Siedlungen auf und ziehen in vorläufig
eigenständige, von einander getrennte Bezirke der gesicherten Neugründung,
deren Haupthof im Besitz der Familie "von Rüden"
ist. Mit der Gründungsurkunde erhält die Ortschaft
ein auf
sie zugeschnittenes Stadtrecht verliehen, das aus den zugezogenen Landbewohnern nun städtische Bürger
macht. In der ursprünglich von einem durch den Erzbischof eingesetzten
Schulten verwalteten Stadt übernehmen nach und nach Bürger
Teile der Verwaltung. 1243 gibt es bereits einen sechsköpfigen
Stadtrat, an dessen Spitze Bürgermeister Gerlacus steht.
Die mit der fortschreitenden Stadt- und Verwaltungsentwicklung
zusätzlich gewährten Rechte werden im Jahr 1310 im Rüthener Stadtrechtsbuch zusammengefasst.
In der Folge
wird Rüthen zur Festungsstadt ausgebaut: Der Graben
im Norden wird vertieft, der Wall erhöht und die Palisade
durch eine massive Wehrmauer aus Sandstein ersetzt,
die mit elf Wehrtürmen verstärkt ist. Die Zugänge in
die Stadt sichern die vier befestigten Stadttore Hachtor, Oestertor, Schneringer Tor und Burgtor.
Im Westen der Stadt bietet die auf einem Felsvorsprung
errichtete und stark befestigte Rüdenburg zusätzliche
Sicherheit. Jedenfalls bis in die 1370-er Jahre. Dann
wird sie aufgegeben.
Ab Mitte des
14. Jahrhunderts intensivieren sich die wirtschaftlichen Beziehungen zur
nahe gelegenen Hansestadt Soest. Im Jahr 1376 tritt Rüthen
dem Hansebund bei, das vergleichsweise geringe Fernhandelsaufkommen
macht aber eine direkte Beteiligung am Bund unwirtschaftlich.
Rüthen ist über das direkte Mitglied Soest angebunden,
das auf den Hansetagen auch die Interessen der Rüthener
Kaufleute vertritt und dafür eine Kostenbeteiligung
erhält. Während Rüthen durch diese indirekte Anbindung auch
nur indirekt und begrenzt auf den westfälischen Raum
Vorteile aus dem Handelsbund zieht, profitieren einige
Rüthener Fernhandels-Kaufleute direkt von den Privilegien
in den Hanse-Kontoren von Brügge, London und Danzig.
Die Kaufleute schließen sich in einer Gilde zusammen
und wählen den hl. Nikolaus zum Schutzpatron der zweiten
Pfarrkirche und der Stadt.
Um 1465 wird Rüthen auch Mitglied der Städtekurie
des Herzogtums Westfalen und gehört bald zu den vier
ständigen Repräsentanten. Zu dieser Zeit leben etwa
1.300 Menschen in den 250 Häusern der Stadt.
Versorgt werden sie durch bäuerliche Betriebe, die innerhalb
der Stadtmauern angesiedelt sind und durch Handwerker,
die sich zu Gilden zusammenschließen und so eine Art
Gebietsschutz durchsetzen: In der Stadt und im versorgten
Umland dürfen keine fremden Handwerker tätig werden,
alle Waren müssen auf dem Markt verkauft werden und
alle aktiven Handwerker müssen der Gilde angehören.
Im Gegenzug achten die Gilden auf sach- und preisgerechte
Arbeit ihrer Mitglieder. Der Zunftzwang endet erst im
19. Jahrhundert: 1810 wird er von der Preußischen
Regierung aufgehoben, ab 1869 sichert die Gewerbeordnung
des Norddeutschen Bundes die Gewerbefreiheit.
Die Festung
Rüthen bietet ihren Einwohnern von Anbeginn an dauerhaft
sicheren Schutz bis ins 18. Jahrhundert hinein,
nur während des Siebenjährigen Krieges wird die Stadt im
Jahr 1759 nach einer längeren Belagerung erobert.
1809
müssen auf Anweisung der großherzoglich-hessischen Regierung
alle Mauern, Türme und Tore der Stadtbefestigung abgerissen
werden. Deshalb sind heute von der ehemals massiven und hohen
Stadtmauer nur noch Reste erhalten. Lediglich
das Hachtor im Norden der Altstadt und der Hexenturm
im Süden bleiben vom Abriss verschont, vielleicht weil
die Preußen 1824 den Erhalt historischer Bauwerke fordern.
Seit
den 1980-er Jahren versucht man in Rüthen, die Geschichte
der Stadt und die einstige Mitgliedschaft in der Hanse
stärker in Erinnerung zu bringen. So gründet man 1983
mit neunzehn weiteren Städten den "Westfälischen
Hansebund", besucht die jährlich stattfindenden
Westfälischen Hansetage, beteiligt sich auch an den
Tagungen der internationalen Hanse und belebt so hansische
Traditionen wieder. Auf unserem Spaziergang
vom Hachtor zum Hexenturm und zum Schneringer Tor entlang der alten Wehrmauer
fühlen wir uns ein wenig in die Hansezeit der Stadt
zurückversetzt.
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