Foto-Reisebericht
- Reiseführer - Reise-Info
Sittard "Vom
Markt zum Kritzraedthuis und
zu den Wällen"
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 Mit
seinen Rathäusern hatte Sittard
Pech: Das älteste heute
bekannte Rathaus stammte aus dem frühen 14. Jahrhundert.
Es wurde während des Geldrischen Erbfolgekriegs durch die
Truppen
Karls V. in Brand gesteckt.
1565 beauftragte
dann der Herzog von Jülich
seinen italienischen
Baumeister Alessandro Pasqualini mit dem Bau eines größeren und stattlicheren
Rathauses. Dieses brannten die französischen
Truppen unter dem Kommando des Comte de Melac im September 1677 nieder und legten gleichzeitig
die ganze Stadt in Flammen.
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Melac verwüstete nicht
nur Sittard: Während des Pfälzischen Erbfolgekrieges
ließ er mit
noch größerer Brutalität
die Städte Speyer und Worms
niederbrennen,
1689 befahl er die Sprengung das Heidelberger Schlosses, die damalige
Residenz des Kurfürsten von der Pfalz.
Das neugotische Rathaus
von Sittard aus dem Jahr 1874 und das angrenzende, etwa 300 Jahre alte "Gasthaus Kaiser" vernichteten die Sittarder
dann selbst: Beide Gebäude wurden 1965 für ein modernes
Kaufhaus geopfert.
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Wir
verlassen den Markt an dessen südlicher Ecke und
erreichen nach wenigen Metern an der Ecke Nieuwstraat
/ Rosmolenstraat
das im Jahr 1620 im maasländischen Renaissancestil
erbaute "Kritzraedthuis".
In diesem
Gebäude wirkte der 1602 im
nahen Gangelt geborene Historiker und Jesuit Jacobus Kritzraedt,
der
hier eine Dependance der Jesuiten
einrichtete.
Jacobus Kritzraedt verfasste nicht nur die
"Historia Gangeltae" - auch "Annales
Gangeltenses" genannt -, er brachte auch
die Geschichte der Region zwischen Heinsberg und
der Maas und damit auch die Sittarder Stadtgeschichte
zu Papier. Durch seine Abschriften
blieben der Nachwelt viele historisch wertvolle Dokumente
erhalten.
Jacobus Kritzraedt verstarb 1672 in Köln.
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Heute ist im Kritzraedthuis
das Büro der Tourist-Information untergebracht.
Im "VVV" erhält man für 2,95
Euro die informative Broschüre "Deutschsprachiger Rundgang durch den Historischen
Stadtkern von Sittard", in der die Sehenswürdigkeiten
der Stadt detailliert dargestellt werden und die auch einen auf das
Wesentliche konzentrierten Stadtplan enthält.
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 Wir
gehen durch die Rosmolenstraat und biegen dann nach links auf den "Agnetenwal"
ab.
Der Verteidigungswall wurde im
16. Jahrhundert als zusätzlichen Schutz vor
der historischen Stadtmauer
aufgeschüttet.
Hinter der Backsteinmauer
erkennt man den Turm der Klosterkirche des ehemaligen Dominikanerinnenklosters
"St. Agnetenberg", das 1662 erbaut wurde.
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Folgt
man dem Agnetenwal weiter und überquert die "Putstraat" - hier stand früher das Puttor, das den
Zugang zur Stadt Richtung Rheinland sicherte - dann erreicht man
auf dem höchsten
Punkt des Verteidigungswalls eine kleine, gepflegte Grünanlage, die zu einer
kurzen Pause einlädt.
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Unterhalb
der Grünanlage, dem Agnetenwal vorgelagert, existierte seit dem
16. Jahrhundert die fünfeckige Bastion "Fort Sanderbout",
die der Sicherung der östlichen Stadtmauer diente.
Erhalten
geblieben sind lediglich zwei Schießscharten und
ein dahinter gelegener Munitionskeller. Während
es früher ab und an vor den Verteidigungsanlagen
heiß her ging...
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ist das heute eher innerhalb der Stadtmauern der
Fall.
Manchmal geht es in Sittard sogar extrem heiß zur Sache... Wir biegen
hier in die "Pullenstraat" ein, ...
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und kommen nach wenigen Schritten zur "Putstraat" mit dem
Backsteingebäude der "Drukkerij Alberts".
Laut einer Inschrift neben dem
Eingang lebten und arbeiteten hier von 1820 bis
1980 fünf Buchdrucker-Generationen.
Die
Alberts druckten Chroniken, Bücher und Wochenblätter wie z.
B. den "Nieuwe Limburgsche Aankondiger".
1984 wurde der Druckereibetrieb in die Nähe von Maaseik
verlegt.
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 Die
vom
Markt her leicht ansteigende Putstraat war früher
die Hauptstraße der Stadt. Der Name Putstraat bedeutet
Brunnenstraße und weißt darauf hin, dass hier früher
mehrere Brunnen existierten, an denen sich die Bewohner
mit Frischwasser versorgen konnten.
Weil
auch hier die historische Bausubstanz während dem
von den Franzosen gelegten Stadtbrand des Jahres
1677
bis auf wenige Ausnahmen vernichtet wurde, findet
man heute in der Putstraat Fassaden aus dem
17. und 18. Jahrhundert, ...
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bei
denen sich auch ein Blick nach oben lohnt, weil
früher
die Gebäude nicht durchnummeriert waren wie heute.
Man unterschied damals die Häuser anhand
ihrer Namen, die man teilweise auch heute noch
an den Giebelsteinen
erkennt, wie beispielsweise am Haus "Der
Goldene Hirsch" aus dem Jahr 1645.
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An
der Einmündung der Putstraat in den Markt steht
auf der rechten Straßenseite das frühere
Zollhaus "om den Tol".
Hier wurde der Stadtzoll auf die Handelswaren
erhoben, die zuvor am gegenüber gelegenen Gebäude "de Waag"
gewogen worden waren.
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Wir
überqueren den Markt und biegen an dessen Westseite...
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in die "Gruizenstraat" ein, in der wir
uns das in maasländischem Baustil errichtete Haus
"Den Tempel" ansehen, dessen Maueranker
1654 als Erstellungsjahr angeben.
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Der
Legende nach geht der Name "Den Tempel"
auf früher hier lebende Ritter des Tempelordens
zurück, einen Beweis dafür gibt es allerdings nicht.
Gesichert
ist aber, dass in dem Gebäude lange Zeit eine Brauerei
existierte und dass es danach als Museum genutzt
wurde.
Heute bietet hier das gleichnamige
Spezialitätenrestaurant "Den Tempel" seine
kulinarischen Genüsse an.
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Ganz
in der Nähe steht ein historisches Fachwerkhaus
aus dem Jahr 1593. Es ist eines der wenigen Gebäude
in Sittard, die alle Angriffe, Eroberungen, Besetzungen
und Stadtbrände überstanden.
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An
das historische Fachwerkhaus grenzt die protestantische
Johanneskerk.
Die zuvor vom Herzog von Jülich
wegen ihres Glaubens verfolgten Protestanten erhielten
mit der Eroberung der Stadt durch Truppen der Niederländischen
Generalstaaten unter dem Kommando von Prinz Frederik
Hendrik von Oranien die Religionsfreiheit. In der
Folge wurde die Johanneskerk errichtet und von der
protestantischen Gemeinde im Jahr 1637 übernommen.
Nach
schweren Zerstörungen durch den großen Stadtbrand
erfolgte 1680 der Wiederaufbau des Gotteshauses,
vier Jahr später wurde der Turm ergänzt.
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Wir
schlendern nun durch die Einkaufsstraße "Nieuwstraat",
passieren das Kaufhaus "Hema"...
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und biegen dann
nach links in die "Helstraat" ein. Das
erste Haus auf der rechten Seite der Höllenstraße
trug schon vor Jahrhunderten den Namen
"Vorhöll". Auf dem Giebelstein
des Gebäudes ist "Der Vorhöll" auch heute
noch zu sehen.
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Wenige
Schritte weiter steht das "Ecrevisse-Huis".
Hier
wohnte und wirkte von 1833 bis 1837 der am 3. Juni
1804 in Obbicht geborene Pieter Ecrevisse als Advokat.
Pieter
Ecrevisse war auch als Lehrer, Friedensrichter und
Romanschreiber tätig. Seine bekanntesten Werke sind
der "Nieuwe Sittardsche
Almanak" von 1837, "De
Teuten" von 1844 und "De Bokkenrijders in het land van
Valkenberg" aus dem Jahr 1854.
Pieter
Ecrevisse war ein vehementer Verfechter eines Anschlusses
der Provinz Limburg an das neu gegründete Belgien.
Aus Angst vor Repressalien wegen seiner anti-niederländischen Gesinnung verließ
er 1837 Sittard, zog nach Charleroi und nahm die
belgische Staatsbürgerschaft an.
Ab 1840
lebte und wirkte er in Eeklo in der belgischen Provinz
Ostflandern, wurde zum populärsten Schriftsteller
des niederländischen Sprachraumes und verstarb nach
der Fertigstellung seiner Autobiographie in Eeklo
am 26. Dezember
1879.
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Auf
der gleichen Seite
der Helstraat steht ein
weißes, maasländisches Doppelhaus, dessen Maueranker das
Jahr 1627 zeigen.
Das frühere "Winhuis"
auf der linken Straßenseite ist deutlich jünger:
Es wurde 1791 errichtet.
Dass
das Weinhaus von Sittard genau in der Gabelung von
"Helstraat" und
"Paradijsstraat" steht, hat eine gewisse Symbolik.
Paradies und Hölle lagen hier nur wenige
Schoppen weit auseinander.
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Ob die Zecher für
ihren Nachhauseweg je nach Alkoholpegel
die Paradijsstraat nutzten oder
durch die Helstraat heimwärts schwankten ist jedoch nicht
überliefert.
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An der Ecke Helstraat und Paradijsstraat findet
man auch das moderne Karnevalsdenkmal.
Auch
im Karneval sollen
manchmal Paradies und Hölle sehr nahe beieinander
liegen.
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Von
einer farbenprächtigen Drehorgel musikalisch begleitet...
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folgen wir nun in der
Walstraat dem Verlauf des früher hier vorhandenen
Stadtwalls, der jedoch zur Verbesserung der Verkehrssituation
seit dem frühen 20. Jahrhundert nach und nach
abgetragen wurde.
Heute ist der motorisierte
Verkehr wieder
ausgesperrt: Die Walstraat wurde zur Fußgängerzone
umgebaut und durch die Ansiedlung einer Vielzahl
von Geschäften zum Einkaufsparadies - nicht nur
für Niederländer.
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An
der Kreuzung Walstraat / Brandstraat erreichen wir
das
von Gène Eggen geschaffene Denkmal für Zefke Mols,
ein Sittarder Original.
Zefke Mols wurde am 11. Juli
1874 in Sittard geboren. Seine früh verstorbenen
Eltern arbeiteten während der Sommermonate in einer
Ziegelei, im Winter zogen sie als Hausierer durch
die Stadt. Mit 15 Jahren ging Zefke bei einem Zigarrenmacher
im deutschen Wehr in die Lehre, ab 1907 reiste er
als Zigarren-Vertreter quer durch Deutschland.
1908 geriet er in Karlsruhe in den
Verdacht, einen
Menschen getötet zu haben, wurde festgenommen, endlos
verhört und schließlich ohne wirkliche Beweise zu
lebenslanger Haft verurteilt. Kurz nach Beginn des
1. Weltkrieges wurde Zefke im November 1914 freigelassen,
weil sich der wirkliche Täter freiwillig stellte,
um einer Einberufung zum Militär und einem Einsatz
an der Front zu entgehen.
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Von der langen
Haft gezeichnet kehrte Zefke in die Provinz Limburg
zurück und lebte vorübergehend in Venlo, wo man
ihn 1925 aufgriff, wegen Landstreicherei verurteilte
und in ein Arbeitslager steckte. Wieder auf freiem
Fuß, kehrte er 1928 nach Sittard zurück. Er wohnte in der Scheune
von Fuhrunternehmer Martin Marx an der Walstraat,
kümmerte sich um dessen Pferde und Wagen und blieb
hier auch beim Umzug des Unternehmens in die Paardenstraat.
Obwohl ihn nach dem Tod von Martin Marx die
Familie seines Sohnes Harry Marx sowie die Nachbarschaft
mit Nahrung und Kleidung versorgte, zog sich Zefke
immer mehr zurück und vereinsamte. Während
des zweiten Weltkrieges nahm er von den deutschen Besatzern
kaum Notiz. Er ignorierte die verhängten Ausgangssperren
und weigerte sich während der alliierten Angriffe,
seinen Schuppen zu verlassen und einen der umliegenden
Schutzkeller aufzusuchen.
Bei seinen Spaziergängen
über die Wälle und durch die Altstadt trug er die
Medaillen, die ihm Anwohner über die Jahre hinweg
ebenso zugesteckt hatten wie Lebensmittel oder Zigarren.
Dass der 81-jährige Zefke im September 1955 unter
einem Kastanienbaum sitzend einschlief und - von
den Passanten unbemerkt - verstarb, war für die
Sittarder
ein Schock, denn Zefke war durch die Jahrzehnte
hindurch zu einem Teil von Sittard geworden.
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Hinter
Zefkes Denkmal beginnt der Begijnenhofwal, dem wir
nun folgen.
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Bald
sehen wir über den alten Mauern und Dächern wieder
den Turm der St. Petruskerk, ...
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... und erreichen
kurz darauf den "Dominicanenwal" mit der "Klosterwand" des von den Ursulinen
im 19. Jahrhundert gegründeten Klosters, in
dem heute Dominikaner leben.

Hier
vor dem "Dominicanenwal" hatten wir unseren
Rundgang durch Sittard begonnen, und hier beginnen
wir auch unsere Folgebesuche zum Shoppen und Relaxen.
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